Die Bibliothek der juristischen Fakultät von Paris im Ersten Weltkrieg


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Als der Krieg anfang August 1914 ausbricht ist die Bibliothek der juristischen Fakultät von Paris eine funktionnelle und gut eingespielte Einrichtung, die sich in einer Entwicklungsdynamik befindet (zum Vergleich siehe Artikel über die Bibliothek von Toulouse).

Ihre Entwicklung begann achtunddreißig Jahre zuvor, mit der Ernennung ihres ersten professionellen Bibliothekars Paul Viollet im Jahr 1876. Diese Ernennung entsprach dem Wunsch, die Struktur aus ihrem embryonalen Zustand herauszuholen. Sie ging mit architektonischen Konstruktionen und einer Erhöhung der Budgets und der Belegschaft einher.

So wuchs die Bibliothek zwischen 1876 und 1914 unter der Leitung von Viollet von 20 auf fast 300 Sitzplätze und von 15.000 auf 112.000 Bücher. Auch die Zeitschriftenabonnements steigen von einigen Dutzenden auf 600. Das Personal wächst von zwei auf zehn Mitarbeiter. Auch zusätzliche Lesesäle und Magazine werden, in zwei Phasen, zwischen 1876 und 1878 und zwischen 1893 und 1897, gebaut.

Als das akademische Jahr 1913/14 zu Ende geht, befindet sich die Bibliothek immer noch in dieser Entwicklungsdynamik und der Umfang der Büchererwerb nimmt von Jahr zu Jahr stetig zu.

August-November 1914  : Der Schock

1914 wird die Bibliotheksordnung, der seit 1911 unverändert geblieben war, geändert, um die Bibliothek bis zum Abschluss der Prüfungen Anfang August geöffnet und öffentlich zugänglich zu lassen.

In der Regel diente der Sommerschluss dazu, größere Reinigungs- Aufräumarbeiten sowie etliche Aufgaben zu erledigen, die bei normalem Betrieb im akademischen Jahr nicht gemacht werden konnten. Der Ausbruch des Krieges bedeutet das Ende dieser Praxis.

Eine unmittelbare Folge der Krieg ist auch die Halbierung des Personals : Fünf der zehn Mitarbeitern der Bibliothek werden ab August 1914 mobilisiert. Der Bibliotheksjunge Maguer wird nicht zurückkehren : er fällt an der Front im Oktober 1914.

Wie in der gesamten Staatsverwaltung sind gemäß einem Rundschreiben vom 1. September alle nicht mobilisierten Bediensteten lokalisiert und auf ihren Posten gehalten oder zurückgerufen. An der juristischen Fakultät betrifft es das Personal der Verwaltung und der Bibliothek (da die Vorlesungen nicht vor November anfangen, sind die Professoren befreit). Der Dekan Larnaude und Paul Viollet setzen sich an 31. August dafür ein, dass die restlichen vier Bibliotheksangestellten in Dienst zurückgeholt werden.

Weitere Maßnahmen werden sofort getroffen : Anfang September verordnet das Rektorat die Sicherung aller wertvollen Sammlungen (Archive, Manuskripte, seltene und wertvolle Bücher). In Wirklichkeit kommt Viollet die Verordnung bereits Ende Augst zuvor, indem er das Inventar und die Lagerung dieser Bestände in Kisten in den Kellern der Fakultät entscheidet.

Darüber hinaus muss sich die Verwaltung in den Dienst der Kriegsanstrengungen stellen. Die Finanzen werden neu zugeteilt : Ab September fordert der Rektor die Dekane dazu auf, alle nicht unbedingt notwendigen Ausgaben auszusetzen. Später im Oktober erhält die Universität vom Ministerium, die Anweisung, nicht nur die Ausgaben einzufrieren, sondern auch alle noch stornierbaren Aufträge zu stornieren. Paul Viollet nimmt mit Buchhändlern, Buchbindern, Heizungsbauern und andere Dienstleistern Kontakt auf, um sie über die Folgen der erhaltenen Anweisungen zu informieren. Einige weigern sich, mit der Begründung, dass die Aufträge bereits in Bearbeitung sind. Im Herbst bekommt die Bibliothek noch eine Bestellung für die Juristische Schule in Kairo intendiert war, und die während des gesamten Krieges in Paris verbleiben muss.

Was die Bestände betrifft, so wird der Versand der Dissertationen an die deutschen Universitäten auf Antrag des Rektorats im September 2014 eingestellt, und um Buchverluste zu vermeiden, verlangt das Rektorat ab Dezember auch die Aussetzung der Fernleihe.

Zwischen August und November 1914 verliert die Bibliothek der juristischen Fakultät von Paris um die Hälfte ihres Personals sowie einen Teil ihrer Sammlungen und, nicht zuletzt, fast die Gesamtheit ihres Budget. Hinzu kommt, dass die Bibliothek nach diesem Zeitraum zwar wiedereröffnen kann, allerdings vor den Abendstunden schließen muss, da die künstliche Beleuchtung wegen Luftangriffe gefährlich ist. All diese Einschränkungen blieben während des gesamten Krieges bestehen. Und als ob das nicht schon wäre, wird Paul Viollet am 22. November 1914 sterben – etwa zwei Wochen nach dem Vorlesungsbeginn. Er wird erst im Februar 1918 ersetzt.

Dezember 1914-Februar 1918  : Zwischen Anpassung und Status quo

Die Belegschaft der Bibliothek der juristischen Fakultät von Paris setzt sich zu Beginn des Krieges wie folgt zusammen : der Chefbibliothekar Paul Viollet, die drei Bibliothekaren Jules Rousselle, Jean Gautier, und Lefeuvre, sowie die sechs Bibliotheksjungen Antoine Pradel, Albert Hissler, Eugène Brière, Émile Gravel, Hervé Maguer, und Panouillot.

Ab August 1914 werden zwei Bibliothekare (Gautier und Lefeuvre) und drei Bibliotheksjungen (Panouillot, Gravel und Maguer) mobilisiert.

Ab Dezember 1914, nach dem Tod von Paul Viollet. Die Bibliothek wird nur noch von vier Personen betrieben. Jules Rousselle, ein sehr zurückhaltender Mensch, übernimmt die Leitung und muss gegen seinen Willen über diese ganze Periode aus dem Schatten tretten. Er bleibt bis Anfang 1918 in Amt. Rousselle war am 23. Mai 1878 in die Bibliothek als Bibliotheksjunge, nachdem er als Feldarbeiter sowie als Angestellter im Warenhaus Bon Marché gearbeitet hatte.
Es ist die erste Person, die Viollet einstellt als er Leiter der Bibliothek. Am 1. Januar 1899 wird Rousselle Hilfsbibliothekar und später am 1. Januar 1912 zum Bibliothekar befördert. Am 18. August 1914, im Alter von 59 Jahren, wird er schließlich Hauptbibliothekar. Während seiner gesamten Karriere wird er als vorbildlicher Mitarbeiter für seinen Geist und seine Hingabe gelobt. In allen Dienstbeurteilungen wird hervorgehoben, dass er von einer Grundschulbildung ausgegangen ist, dass er sich selbst ausgebildet hat und ein (wissenschaftliches und berufliches) Wissensniveau erreicht hat, das mindestens dem seiner Bibliothekarskollegen entspricht. Paul Viollet beantragte 1904 seine Beförderung zum Bibliothekar ; und sie wurde 1908 durch einen Brief an den Rektor unterstützt, der von etwa zwanzig Professoren der Fakultät unterzeichnet wurde. 1912 wird er schließlich Befördert.

Das Team, für das er während des Krieges verantwortlich ist, besteht aus drei Bibliotheksjungen : Antoine Pradel (damals 49 Jahre alt, seit dem 1. März 1890 an der Bibliothek), Albert Hissler (damals 55 Jahre alt, seit dem 1. Oktober 1897 an der Bibliothek) und Eugène Brière (damals 53 Jahre alt, seit Dezember 1897 an der Bibliothek). Ein älterndes, aber sehr erfahrenes Team, das 1915 um den Bibliothekar Lefeuvre wieder ergänzt wird, der zu diesem Zeitpunkt demobilisiert wird (er war zuvor seit 1911 an der Bibliothek tätig).

Unter der Leitung von Viollet war die Arbeitsteilung zwischen den verschiedenen Teammitgliedern klar definiert : Der Chefbibliothekar und die Bibliothekare kümmern sich um die Beschaffung, die Indizierung des Materials und die Aufsicht der Leseräume während der Öffnungszeiten. Der ranghöchste Bibliotheksjunge macht Kopien der von den Bibliothekaren erstellten Karten, um die verschiedenen Kataloge und Register zu versorgen, die anderen Raumpfleger sind für den Ein- und Ausgang der Leser verantwortlich (Überprüfen der Karten für den einen, und der Taschen für den anderen), für die Bestellung und Sortierung der Bücher, für die Reinigung der Räume und das für Entstauben der Bücher.

In Bezug auf diese Aufgaben ist der Einfluss des Krieges auf das tägliche Leben der Bibliothek offensichtlich.

Aufgrund der früheren Schließung werden die Öffnungszeiten reduziert. Auch die Anzahl der Leser der Bibliothek folgt dem Rückgang der Studentenanzahl, der sich im Jahr 1915 um das Zehnfache verringerte. So sinken die zahlen von etwa 700 auf etwa 70 Leser pro Tag. Im Jahr 1916 geht dieser Zahl sehr progressiv zurück, immer parallel zur Anzahl der Studenten an der Fakultät.

Die Bearbeitung der erworbenen Bücher, und der Austausch von Doktorarbeiten mit Institutionen aus dem Ausland hört vollständig auf (zwischen 1914 und 1918 gingen nur etwa dreißig Bände ein und es wurde kein einziger verschickt). Der Austausch von Doktorarbeiten mit den anderen französischen Fakultäten hingegen wird fortgesetzt aber stark reduziert.Der Erwerb von Büchern sinkt drastisch von mehr als 700 im Jahr 1913 auf 154 im Jahr 1915, um dann zwischen 1916 und 1920 leicht um 230-250 pro Jahr wieder zu steigen.

Die Zahl der Bücherspenden hingegen sinkt nur im Jahr 1915 und erreicht danach wieder die Werte des Vorkriegs mit den üblichen Schwankungen.

Die Gesamtarbeitsmenge ist in den Kriegsjahren starkt reduziert ist, doch ist die Belegschaft, u.a. durch die Mobilisierung, vergleichsweise noch stärker reduziert. Aus Mangel an Personal, wird der Zeitschriftenübersicht nicht fortgesetzt werden. Dieses Index des Inhalts der bezogenen Zeitschriften, die eine Spezifität und ein Stolz der Bibliothek darstellt, ist von den Professoren der Fakultät sehr geschätzt.

Auch was deie Anreicherung der Sammlungen betrifft scheint der Krieg eine große Auswirkung zu haben.

Finanziell gesehen werden die Budgets ab 1914 sehr knapp. Um die Ausgaben des Jahres 1915 zu decken, kann sich die Universität nicht auf Gelder des Staates verlassen und schöpft aus ihren eigenen Ressourcen. Das ist auch der Grund dafür dass, das Jahr 1914 das knappste Budget der gesamten Kriegszeit aufweist. Ab 1916 steigen die Budgets allmählich wieder an. Gleichzeitig gehen mit dem generellen Anstieg der Lebenshaltungskosten auch der Preis der Bücher ab 1917 nach oben. Diese beiden finanziellen Faktoren sind der Grund für die Reduzierung der Erwerb von Büchern in diesen Jahren : Während allein im Jahr 1913 713 Monographien gekauft werden, sind es für die Gesamtperiode von Oktober 1914 bis zum Ende 1917 nur noch 633.

Die Auswirkung des Krieges auf die Sammlungen sind nicht nur finanzieller Natur. Die Die Wege der Buchbeschaffung sind auch von Veränderungen betroffen, die mit der neuen politischen Konstellation zusammenhängen. Zum einen wird der Kauf von Büchern aus Deutschland oder Österreich-Ungarn, der als “Handel mit dem Feind” gilt, reduziert bis gestoppt, und zum anderen wird der Austausch von Doktorarbeiten mit dem Ausland insgesamt eingestellt.

Ein Dekret vom 27. September 1914 verbietet nämlich den Handel mit den „Untertanen der Reiche Deutschlands und Österreich-Ungarns“ und erklärt jede mit ihnen geschlossene Handlung oder jeden mit ihnen geschlossenen Vertrag sowie die Ausführung dieser Handlungen oder Verträge für nichtig und gegen die öffentliche Ordnung verstoßend. Das Gesetz vom 17. August 1915 sieht jedoch auf Beschluss des Finanzministers, der durch ein Rundschreiben des Erziehungsministeriums vom 16. März 1916 erläutert wird, für alle Rektoren und Direktoren großer wissenschaftlicher Einrichtungen eine Ausnahme vor : Der Finanzminister hat den Zolldiensten Anweisungen erteilt, um die Einfuhr der deutschen und österreichisch-ungarischen Bücher und Zeitschriften nichtkommerzieller Art zu erleichtern, die die Einrichtungen bei Buchhändlern neutraler Länder erworben hätten, und unter Vorbehalt des Visums des Inspektors der Buchhandels. In der Praxis wird von dieser Ausnahme sehr selten gebrauch gemacht. In der Bibliothek der juristischen Fakultät von Paris wird sie zwischen 1915 und 1919 nur für den Kauf von nur 24 deutschen Werken verwendet.

Die Beschaffungskanäle sind auch mit den alliierten Ländern komplizierter, zum Beispiel mit der Einführung einer obligatorischen Einfuhrgenehmigung aus England ab dem französisch-britischen Abkommen vom 24. August 1917.

Auf der Seite der unentgeltlichen Erwerbe bleibt die Zahl der Schenkungen, wenn auch schwankend, auch in den Kriegsjahren relativ konstant. Was den ausländischen Doktorarbeiten betrifft, die vor dem Krieg den quantitativ wichtigsten Zufluss an fremsprachigen Werken im Bereich Rechts darstellte, wird ab dem letzten Quartal 1914 keine mehr empfangen. Die Liste der Universitäten, die eine Kopie der hiesigen Doktorarbeiten bekommen sollen, wird ab Herbst 1914 im Universitätsrat diskutiert, mit dem Ziel, die für Deutschland geplanten Exemplaren für andere Partner-Einrichtungen nach Großbritannien und nach Südamerika zu schicken.

All dies wirkt sich natürlich nicht nur auf den Umfang, sondern auch auf die Zusammensetzung der Sammlungen aus.

Es gibt (oder verbleibt) kein Dokument, der von einer Regelung der dokumentarischen Politik an der Bibliothek der juristischen Fakultät von Paris zeugen würde und es uns ermöglichen würde, die Entwicklung dieser Politik vor, während und nach dem Krieg zu sehen. Es ist jedoch möglich, die verschiedenen Register der Einträge in der Bibliothek zu analysieren. Das Hauptregister enthält die Liste aller Werke, die in die Sammlungen aufgenommen wurden, und weist ihnen unter Angabe des Ankunftsdatums, einer Inventarnummer und einer Bewertung zu. Die Art und Weise des Eintritts in die Sammlungen (Kauf oder Spende) wird angegeben, sowie, im Fall eines Kaufes, den Lieferanten und den Kaufpreis. Für Spenden wird der Spender (Einzelperson oder Institution mit dem Namen) genannt. Die Bibliothek führt auch unterschiedlichen Registern von Doktorarbeiten, in denen diese nach Ort (Universität) und Datum der Verteidigung aufgelistet sind.

Erwartungsgemäß zeit die Untersuchung dieser verschiedenen Register einen quasi-totalen Einstellung der deutschen Veröffentlichungen (außer im Rahmen der Schenkungen), einen Rückgang der Käufe ausländischer Werke und einen (relativen) Anstieg der angelsächsischen Werke. All diese Entwicklungen können durch die oben erwähnten materiellen Restiktionen erklärt werden, aber sie haben sehr konkrete Konsequenzen : Wenn man die Gründen für diese Entwicklung beiseitelässt und sich auf der Inhalt der erworbenen Büchern fokussiert, so stellt man folgendes fest : In der Kriegs spiegeln die Sammlungen der Bibliothek der juristischen Fakultät von Paris lediglich die Perspektive Frankreichs und seiner Verbündeten wieder. Zwar werden damals sorgfältig ausgewählte Auszüge aus der deutschen und österreichisch-ungarischen Presse vom Kriegsministerium übersetzt und an die Fakultät geschickt, doch lässt sich in keiner Weise von Gleichgewicht sprechen.

So hat der Krieg Auswirkungen auf das Personal, auf die Besucherzahlen, auf die Budgets, auf die Sammlungen, und doch wird der Alltag der Bibliothek bemerkenswerterweise kaum verändert.

Die Erklärung für das, was wie ein Paradox erscheinen könnte, ist in der Engagement einer Person zu suchen : Jules Rousselle.

Von 1914 bis 1918 war Rousselle zusätzlich zu seinen üblichen Aufgaben in der Bibliothekskommission der Fakultät tätig, verfasste die Jahresberichte, kümmerte sich um die Korrespondenz und verwaltet den Bibliotheksalltag.

Als treue Leutnant Viollets und von ihm ausgebildet, tritt er gewissenhaft in die Fußstapfen seines verlorenen Vorbilds. Die solide Organisation, die langsam über die Jahre aufgebaut wurde, ist teilweise stumm geschaltet, aber unverändert. Was bei der Lektüre der Bestellungsregister der Bibliothek in diesen Jahren auffällt, sind die Einträgen Rousselle’ in : die Formulierungen sind fast identisch mit den von Viollet zuvor. Einen Zeichen des Sorgfaltes, dass zur Erhaltung der Funktionsweise der Vorkriegszeit entfaltet wurde, ist die Fortsetzung von Bestellungen von Veröffentlichungen aus den unterschiedlichsten Institutionen. Angesichts der damaligen Komplikationen, die mit der Sendung von Dokumenten per Post einhergingen, ist man etwas erstaunt von der Zeit und der Mühe die verwendet wurde für Anfragen an den Gouverneure von Senegal, Pondicherry, Saigon oder etwa an das Ministerium für auswärtige Angelegenheiten oder für Handel wegen fehlender Zeitschriftenausgaben gerichtet wurden, die die Bibliothek zurückerhalten möchte.

Auch in Hinsicht auf der Aufmerksamkeit für seine Mitarbeiter geht Rousselle in die Fußstapfen von Viollet. Eine der größten Sorgen der Universitätsangestellten während des Krieges ist der Anstieg der Lebenshaltungskosten. Regelmäßig wird über Entschädigungen gesprochen, auf die sie je nach Situation Anspruch haben oder nicht. So ist ein Teil deren Lohn eine gesonderte Vergütung für das Aufsehen der Leseräume am Abend. Daher stellt sich bereits im Herbst 1914 die Frage, ob und wie die Fakultät diesen Einkommensverlust kompensieren kann. Bis zum Ende des Krieges wird Rousselle jedes Jahr für seine Kollegen plädieren und schließlich eine positive Antwort erhalten. Mittel aus der Goullencourt-Rente werden es ermöglichen diese Zuwendungen auszuzahlen. Zu den wenigen Archiven, die sich in den 1920er Jahren mit der Bibliothek befassten, gehört auch die Fortsetzung dieser Verhandlungen, wobei sich die Universität nach dem Krieg weigern wird, die Abendsitzungen weiter zu entschädigen.

Die Kammerjungen erhalten zudem seit 1917 eine Teuerungsentschädigung (Gesetz vom 7. April 1917).

Februar 1918 und darüber hinaus  : Normalisierung und Entwicklungen

Der Waffenstillstand wird erst im November 1918 unterzeichnet. Die Friedensverträge werden zwischen 1919 und 1920 ausgehandelt und unterzeichnet – dem Vertrag von Lausanne sogar 1923.

Das Jahr 1918 steht für die Bibliothek der juristischen Fakultät von Paris symbolisch zum einen für den Amtseintritt des Nachfolgers von Viollet, und zum anderem wie für die ganze französische Gesellschaft, für einen tiefen und deutlichen Bruch.

Über einen Zeitraum bis zur Mitte der zwanziger Jahre scheint sich die Lage der Bibliothek sehr allmählich zu normalisieren.

Die Bibliothekare und Bibliotheksjungen, die mobilisiert worden waren, kehren ab 1919 in die Bibliothek zurück.

Im akademischen Jahr 1919-1920 entsprechen die Besucherzahlen in etwa dem Vorkriegsniveau, denn viele Studenten im Frühjahr 1919 demobilisiert wurden. In den Jahren 1920-1922 gibt es einen Anstieg der Besucherzahlen, der mit der Organisation von speziellen Kursen und Prüfungen für demobilisierte Studenten zusammenhängt.

Die Budgets stiegen bis 1923 langsam an, erreichten aber nie wieder das Niveau von 1913 und sinken ab 1924 wieder. Die Anzahl der Akquisitionen kehrte nach 1920 auf ein übliches Niveau zurück, ohne jedoch die Zahlen der Vorkriegsjahre zu erreichen. So kamen zwischen Oktober 1914 und Ende 1922 kaum mehr Werke durch Erwerb (2301 Bücher über mehr als acht Jahre) als in den drei Jahren 1911-1913 (2004 Bücher).

Gleichzeitig steigt der Preis der Bücher, insbesondere für ausländische Bücher, mit den Lebenshaltungskosten weiter an. Die Tendenzen in der Bucherwerb während des Krieges scheinen sich mit dem Frieden zumindest bis Mitte der zwanziger Jahren fortzusetzen : Die Aufzeichnungen zeigen, dass es weniger Käufe deutscher Werke, mehr englischsprachige Werke und ganz insgesamt einen Fokus eher auf die französische Wissensproduktion gibt. Die starke Erhöhung der Preis für ausländische Bücher und die Unvorhersehbarkeit dieser Schwankungen (die Preise können sich zwischen dem Zeitpunkt der Bestellung und dem Zeitpunkt des Empfangs mehr als verdoppeln, abhängig vom Kurs der Goldmark oder des Pfund Sterling) kann diese Zusammensetzung der Sammlungen jedoch weitgehend erklären.

Trotz der Diskussionen im Herbst 1914 blieben die für den Austausch mit ausländischen Universitäten bestimmten Exemplare schließlich während des gesamten Krieges in den Regalen liegen, und die erwähnte Neuausrichtung tritt nicht in Kraft : Die 21 deutschen Universitäten, die vor dem Krieg Exemplare der Doktorarbeiten bekamen, bekommen diese weiterhin nach dem Krieg. Andere Universitäten sind in diesem Austausch hinzugekommen, insbesondere aus den Vereinigten Staaten. Dieser Tausch nimmt Anfang der 1920er Jahre allmählich wieder zu und stabilisierte sich um 1925.

Was die Sammlungen betrifft ist anzumerken, dass der Kriegskontext sehr prägend ist. Wenn die Bildung eines Korpus von Publikationen im Zusammenhang mit dem Krieg das Ergebnis eines klaren Willens der Bibliothekskommission seit 1915 war, ist es ohne Vorsatz, dass eine bestimmte Anzahl von Publikationen die Sammlungen integrieren, weil im Zusammenhang mit der russischen Revolution und ihren Gegenschlägen : Neuanalysen der Französischen Revolution, Werke über Sozialismus, Bolschewismus, Gewerkschaftswesen, Arbeiter ; Multiplikation ab 1920 von Titeln über die Wirtschaftsorganisation, Statistik und Soziologie, Wirtschaftsdoktrinen usw.

Schließlich wird die Bibliothek zum Denkmal, indem sie in ihre Sammlungen einen Archivbestand integriert, der auf Wunsch des Dekans Larnaude erstellt wurde und Veröffentlichungen und Memorabilien im Zusammenhang mit Studenten enthält, die auf dem Feld der Ehre gestorben sind.

Man kann zwar von Normalisierung sprechen, aber nicht von einer Rückkehr zur Normalität für die Bibliothek. Fast paradoxerweise ist es der Frieden und nicht der Krieg, der mit der Ankunft von Viollets Nachfolger Eugène Bouvy, der am 1. Februar 1918 sein Amt antrat, wirklich Veränderungen mit sich bringt. Diese Änderung wird übrigens von der Fakultät antizipiert und verzögert, wie es Bouvy selbst anmerkt – der per Erlass vom 23. November 1917 ernannt wird, um sein Amt am1. Dezember anzutreten, und der schließlich erst drei Monate später sein Amt antrat – in einem Brief an den Sekretär der Fakultät vom 22. Dezember 1917 hervorhebt  : „ Ich weiß, dass es aus Sicht der Fakultät keine äußerste Dringlichkeit gibt, dass ich in den Besitz des Dienstes komme, aber gegenüber der Verwaltung, die mich ernannt hat, wie gegenüber meinem Nachfolger in Bordeaux, halte ich es für eine Pflicht, mich an meinem neuen Posten zu befinden. “

Die Quellen geben keine Angaben über seine Art, die Belegschaft der Bibliothek zu führen, aber die Veränderungen in den Arbeitsabläufen sind deutlich. Diese Veränderungen sind vor allem in der Führung der Register und Katalogen sichtbar, obwohl zu beachten ist, dass Bouvy seine größten Änderungen erst nach dem Ruhestand von Rousselle Ende 1923 vornimmt. Wenn zum Beispiel die Abhaltung der Zeitschrift 1918 auf ausdrücklichen Wunsch der Professoren der Fakultät wieder aufgenommen wird, möchte Bouvy betonen, dass es sich nicht um eine Arbeit handelt, die in den offiziellen Aufgaben der Bibliothekare vorgesehen ist und stellt diese 1920 ein, bevor es 1923 durch die Assistenten der spezialisierten Arbeitsräume wieder aufgenommen wird (unter der Aufsicht von Rousselle, der inzwischen Ehrenbibliothekar geworden ist). Ebenso wird das Register für die Eintragung von Werken in die Bibliothek in seiner alten Form am 1. Januar 1924 aufgegeben : Das, wo es zuvor ein Signaturregister und ein Inventarregister wird ersteres aufgehoben und letzteres dient fortan auch zum Inventar. Im Grunde handelt es sich um eine Wiederaufnahme der internen Arbeit, mit einer Reduzierung und Vereinfachung der Schreibarbeiten, zusammen mit einer Neugestaltung der Räumlichkeiten und einer Umstellung der Bestände.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die Bibliothek der juristischen Fakultät von Paris aktiv am Krieg beteiligt, sei es durch die Mobilisierung ihres Personals, und durch die Bildung von Sammlungen, die der von den Professoren geführten „Krieg des Rechts“ unterstützen. Sie passt sich den Budgets, den Lesern, den menschlichen, finanziellen, politischen und rechtlichen Bedingungen an, die durch die Situation entstehen. Aber für sie wirkt sich der Krieg eher als eine Unterbrechung denn als einen Umbruch aus. Entsprechend verschiebt sich das Ende der Viollet-Periode, die so 38 Jahre plus vier Jahre gedauert haben wird. Eine Klammer, die dennoch tiefe Spuren hinterlässt und bis in die 1930er Jahre reicht : Ein letzter Vertrag wird von der Reparaturkommission Anfang 1930 homologiert ; dieser eröffnet bei einem deutschen Buchhändler in Leipzig einen Kredit für den Kauf von in Deutschland herausgegebenen Werken, die von der Bibliothekskommission ausgewählt wurden. So ist Bouvy bereits im Ruhestand, als 1930/31 in der Bibliothek das größte Kontingent, mehr als 450 Bände, hauptsächlich Zeitschriften, von Deutschland für Reparaturen gelieferte Dokumenten, eintrifft.

Alexandra Gottely, Bibliothekskonservatorin (Cujas-Bibliothek)