„Wie im Familienleben gibt es im Leben einer Fakultät Momenten, die sich wiederholen, fast immer dieselben, sie sind die zahlreichsten und notwendigsten. Manchmal gibt es auch neue Ereignisse, die eine kleine oder große Veränderung in ihrer Organisation und Funktionsweise bewirken. Auch sie sind notwendig, aber sie dürfen nicht allzu oft vorkommen, da sie in eine Existenz, dessen Kontinuität und Regelmäßigkeit gewissermaßen das Grundgesetz sind, sonst zu viel Instabilität bringen. Das Leben einer Institution, wie das einer Familie, bringt schließlich glückliche und auch unglückliche Ereignisse mit sich. Wäre es ohne sie denn wirklich Leben ?“ Diese Bemerkungen stammen vom Dekan Ferdinand Larnaude, der sie im Jahresbericht der Hochschuleinrichtungen der Pariser Akademie (Juristische Fakultät) festhält. Als Larnaude, der seit dem 1. November 1913 Dekan ist, diese Zeilen verfasst, sind die Folgen des Krieges in seiner Institution noch deutlich spürbar. Dabei versuchte die Institution über die ganze Zeit des Krieges, die Normalität soviel wie möglich aufrechtzuerhalten, auch wenn letzten Endes die Auswirkungen des Konflikts die Fakultät aus dem Gleichgewicht brachte.
Vor dem Krieg besteht das tägliche Leben der juristischen Fakultät von Paris in einer administrativen und pädagogischen Organisation, einem Gebäude, Professoren, Verwaltungs- und Bibliothekspersonal, Lehren, Studenten. All dies wird durch Vorschriften, Traditionen, und eine Geschichte geregelt.
So wird die Fakultät vom 1. November 1913 bis zum 1. November 1922 vom Dekan Ferdinand Larnaude geleitet. Die beiden Entscheidungsorgane der Fakultät sind der Rat und die Versammlung. Der Rat verwaltet Disziplinarangelegenheiten, Vorschläge für vakante Lehrstühle sowie das Budgets (durch die Validierung der Jahresrechnung) und vor allem die vollständige Verwaltung der Vermächtnisse und Stiftungen der Fakultät. Die Versammlung befasst sich ihrerseits mit den pädagogischen und wissenschaftlichen Aspekten. Als Instanz über die Fakultät beschließt der Rat der Universität Paris unter der Leitung des Vizerektors das Budget aller Hochschuleinrichtungen der Hauptstadt. Dieser Rat hat das letzte Wort über Fördermittel, Änderung und Aufrechterhaltung von Lehrstühlen und ist der Ort wo eine gemeinsame politische Orientierung der Lehreinrichtungen der Akademie definiert wird, insbesondere im Bereich der internationalen Beziehungen. Schließlich ist es auch einer der Orte, an denen die nationale Politik diskutiert wird.
Die Fakultät zählt 1914 fünfundvierzig Professoren, Assistenzprofessoren oder außerordentliche Professoren für etwa 8.000 Studenten. Die Bibliothek beschäftigt zehn Personen inklusive den Chefbibliothekar, und mindestens zwanzig Personen sind für die Verwaltung und Wartung des Gebäudes verantwortlich, vom Fakultätssekretär bis zum Pförtner.
Der Vorlesungsbeginn findet in der Regel um den 10. November statt. Die Mehrheit der Studenten sind in licence oder für die capacité eingeschrieben. Die licence dauert drei Jahren und die capacité in zwei Jahren. Es gibt ein nicht kumulatives Registrierungssystem, das viermal im Jahr persönlich in Anspruch genommen werden muss, um die Anwesenheit der Studenten zu gewährleisten. Studenten, die im Verzug mit der Zahlung der Studienbeiträge, dürfen die Jahresabschlussprüfungen nicht ablegen. Der Vorlesungsplan ist jahrweise organisiert, mit Abschlussprüfungen im Juli. Ende Oktober bis Anfang November finden die Nachprüfungen statt. Die Lehre besteht aus den Hauptvorlesungen, den fakultativen Vorlesungen, die von Professoren, Assistenzprofessoren, und Dozenten gehalten werden. Dieser Vorlesungen, deren Besuch an der Zahlung eines Jahresbeitrag geknüpft ist, bieten praktische Übungen auf Licence-Ebene und vertiefende Fragen auf Doktoratsebene. Jedes Jahr werden die verdienstvollsten Bachelor-Studenten eingeladen, am Wettbewerb zum Jahresende teilzunehmen. Für jede Stufe der licence ist ein Wettbewerb organisiert, und hinzu kommt für das dritte Jahr einen allgemeinen nationalen Wettbewerb auf nationaler Ebene. Doktoranden können neben den Dissertationspreisen auch am Doktorandenwettbewerb teilnehmen und sich für verschiedene Wettbewerbe und Preise bewerben, die von der Fakultät vergeben werden.
Im Wesentlichen bleibt dieser Organisation während des Krieges bestehen : Die Fakultät zieht nicht um ; der Dekan bleibt im Amt (er wird sogar 1919 wiedergewählt) ; der Rat und die Versammlung der Fakultät treffen sich weiterhin regelmäßig, um die Unterrichtszeiten, die Termine des Wiedereintritts und der Prüfungen, die Themen der Vorlesungen und Konferenzen zu validieren, um die Vorschläge für freie Vorlesungen zu genehmigen, um die Haushaltskonten jedes Jahr abzustimmen und die Renten und Investitionen der Fakultät zu verwalten ; Die Vorlesungen werden gehalten, die Konferenzen gegeben, die Diplome ausgestellt ; die verschiedenen von der Fakultät organisierten Wettbewerbe zum Jahresende werden beibehalten. Sowohl die Bibliothek als auch die sieben spezialisierten Arbeitsräume sind weiterhin in Betrieb und zugänglich für Studenten und externe Leser.
Diese Kontinuität ist jedoch nur durch stete Anpassungen an die durch den Krieg geänderte Realität möglich. Sie werden zwar als punktuel wahrgenommen, doch werden sich einige davon als dauerhaft erweisen.
Anpassung an den Krieg
Während dem Krieg wird die juristische Fakultät von Paris nicht überfallen und muss nicht umziehen. Zu zwei Zeitpunkten jedoch im August-September 1914 und im Frühjahr 1918, wird ein rascher Einmarsch der deutschen Truppen in Paris befürchtet. Vorsichtshalber ergreift die Fakultät bestimmte Maßnahmen und erhält außerdem Anweisungen vom Rektorat.
So verlangt das Rektorat Anfang September 1914 die Sicherung alle wertvollen Sammlungen (Gemälde, Skulpturen, Archive, Manuskripte, seltene und wertvolle Bücher). Aber dem wurde in der Pariser Fakultät bereits Ende August zuvorgekommen : Diese Bestände wurden inventarisiert, aus den üblicher Lagerräume entfernt und in Kisten verpackt im Keller der Fakultät untergebracht. Die Fakultät muss sich insbesondere auf Brände vorbereiten – was als größtes und wahrscheinlichstes Risiko darstellt. Dafür werden von der Feuerwehr Schulungen durchgeführt und schriftliche Anweisungen Verteilt. Da die Fakultät über geeigneten Brandschutzanlagen nicht verfügt, wird die entsprechende Ausrüstung angeschafft.
Ab Ende 1914 verringert sich die Bedrohung deutlich verringert, was die Fakultät 1916, in einer Zeit, da Papiemangel herrscht, dazu veranlasst der Bestand an Anweisungen der Feuerwehrleute als Altpapier an den Meistbietenden zu verkaufen.
Die Sorge um Bränbe kehrt jedoch im Frühjahr 1918 mit den letzten dringenden Manövern der Deutschen zurück. Diesmal bereitet sich die Fakultät auf die Bombardierung und Evakuierung von Paris vor : Die Keller wurden von den Behörden als Unterschlupf für 1.100 Menschen im Falle von Bombardierungen beschlagnahmt. Bei Bedarf ist die Hilfe der Polizei außerhalb des Gebäudes und von freiwilligen Aufsehern im Inneren vorgesehen. Plakate, die diese Maßnahmen ankündigen, werden an den Wänden der Fakultät angebracht. Wenngleich Bombardierungen tatsächlich Paris treffen, wird die Fakultät verschont, und der geplanter Rückzugsbefehl von Paris wird nie gegeben.
Eine weitere materielle Konsequenz ist ab September 1914 die Neuausrichtung des Staatsbudgets, um die Kriegsanstrengungen zu unterstützen. Das Rektorat und dann das Ministerium senden Anweisungen in den Fakultäten zur Einstellung aller Ausgaben. Es werden sogar Aufträge storniert, wenn dies noch möglich ist. Im Jahr 1915 beteiligt sich der Staat nicht zum Budget der juristischen Fakultät von Paris. Diese kann sich nur auf den Finanzen der Universität und auf ihre eigene Einnahmen verlassen. Ab 1916 trägt der Staat wieder – wenn auch in bescheidener Höhe – zum Budget der Fakultät und erhöht von Jahr zu Jahr seine Subventionen. 1920 haben sie jedoch noch nicht das Niveau von 1914 wieder erreicht, obwohl die Lebenshaltungskosten damals dazu führen, dass jedes Material etwa das Dreifache als vor dem Krieg kostet.
Diese Umstände zwingen den Dekan Larnaude, eine strenge Sparpolitik einzuführen, was mit einer drastischen Kürzung des Bibliotheksbudgets einhergeht. Die Heizkosten steigen sehr stark und werden zu einem wiederkehrenden und immer akuteren Problem. Im Winter 1916/17 kommt die Forderung des Rektors hinzu, die Beleuchtungskosten auf das strikt notwendigste zu reduzieren. Bis zu den Osterferien im März 1917 wurden die Bibliotheks- und Unterrichtszeiten so umgestaltet, dass sie sich auf einen Teil des Tages konzentrierten, und die Kurse wurden in die neuen Gebäude verlegt, um nur einen Heizkessel zu verwenden.
Die Eigenmittel der Fakultät sind daher von entscheidender Bedeutung. Diese Mittel – insbesondere der Fond Goullencourt – ermöglichen die Fortzahlung der jährlichen Entschädigungen an das Verwaltungs- und Bibliothekspersonal, sowie, ab 1917, der Lebenshaltungskostenentschädigungen an das vom Staat nicht berücksichtigte Personal zu zahlen. Auch das Gehalt der Person, die für die materielle Organisation der Konferenzen verantwortlich ist, die Instandhaltung und Ausstattung spezialisierter Arbeitsräume, und die Teilnahme der Fakultät an sukzessiven nationalen Anleihen zur Unterstützung der Kriegsanstrengungen werden damit finanziert.
Ein charakteristisches Merkmal dieser Periode ist der Einfluss, den die Entscheidungen anderer Ministerien als des Bildungswesens auf das Leben der Fakultät haben ; angefangen bei den Mobilisierungen.
Die ersten Mobilisierungen gehen auf den August 1914 zurück, und haben enorme Konsequenzen für die Studenten. Von etwa 8.000 Studenten, die im Jahr 1913-14 eingeschrieben waren, sink 1914-15 die Zahl auf etwas mehr als 1.000 für das Jahr 1914-15, und es dauert bis in die 1920-1921-Jahre, bis das Vorkriegsniveau wieder erreicht wird. Diese Zahlen laden dazu ein, die Idee, es habe damals alles in allem eine gewisse Normalität im täglichen Leben geherrschtt, einigermaßen zu revidieren. Die Kurse und Konferenzen werden beibehalten, aber die Hörsäle sind besonders spärlich besetzt. In ähnlicher Weise betrifft die Mobilisierung die Fakultätsmitarbeiter relativ stark. Die Hälfte der Beschäftigten der Bibliothek (fünf von zehn) wird ab August 1914 mobilisiert, und mindestens ein Dutzend Verwaltungsangestellte werden ebenfalls unter die Fahne gerufen. Die Bibliothek und die Verwaltung schaffen es jedoch, einen ordnungsgemäßen Betrieb aufrechtzuerhalten, indem einige entbehrliche Angebote eingestellt werden.
Letztlich sind es Professoren, die am wenigsten von der Mobilisierung betroffen sind. Der Grund dafür ist ganz einfach : Die überwiegende Mehrheit der Professoren das Alter überschritten hat, mobilisiert zu werden. Neben Hitier, der sich seit August 1914 freiwillig meldet, werden von 45 nur fünf gerufen, und nur zwei verbringen den Krieg unter den Fahnen : Maurice Bernard wird als Pilot engagiert und stirbt 1916 bei einer Übung. Prof. Allix, der zu Beginn des Krieges habilitiert wurde, ist zunächst Unterleutnant und Berichterstatter beim Kriegsrat der 105. Infanteriedivision, dann bei der 133. Division und dann im Militär-Stützpunkt von Paris. Das Rundschreiben der Kriegs- und Erziehungsminister vom 11. September 1915 sieht jedoch für mobilisierte Universitätsangehörige die Möglichkeit vor, ihre Lehraufgabe in der Zeit, die ihnen ihre militärischen Pflichten freilassen könnte. fortzusetzen. Darüber hinaus können die mobilisierten Professoren mit Genehmigung des Ministers ihren Vorlesungen halten. So verbrachten Demogue, Jèze und Percerou mit dieser Erlaubnis die gesamte Kriegszeit, ohne die juristische Fakultät von Paris zu verlassen, und Allix, der nach Paris verlegt wurde, kann sich ihnen im Herbst 1918 anschließen. Diese Bestimmung ist für die Pariser Professoren kein Privileg : Brunet, Professor in Aix, aber in Paris mobilisiert, gibt an der juristischen Fakultät von Paris eine Doktorvorlesung in Politikwissenschaften, die im zweiten Halbjahr 1918-1919 unbesetzt geblieben war.
All dies scheint größenteils zu erklären, wie fast alle Vorlesungen und Vorträge während der gesamten Kriegszeit stattfinden konnten. Die Realität ist jedoch etwas komplizierter.
Vor dem Krieg wurden an der juristischen Fakultät von Paris jedes Jahr etwa fünfzig Vorlesungen und ein Dutzend Vorträge für die Studiengänge capacité (Vordiplom), licence (Bachelor) und doctorat (Promotion) gehalten, mit einem Kontingent von insgesamt 45 Professoren, Assistenzprofessoren und habilitierten Professoren in den Jahren 1913-1914. Drei Lehrer werden mobilisiert, freiwillig oder gerufen. Darüber hinaus verbringt Professor Geouffre de La Pradelle fast den ganzen Krieg auf dem amerikanischen Kontinent für einer Propaganda-Mission, und drei Professoren der Fakultät werden abwechselnd jedes Jahr für mehrere Monate entsandt, um die Prüfungen an der französischen Rechtsschule in Kairo ablegen zu lassen. Zählt man zu diesen Abwesenheiten die Todesfälle von fünf Professoren – Massigli, Cauwès, Renault, Thaller und Audibert – zwischen Juli 1916 und Juli 1918 hinzu (sie sterben nicht im Kampf), so fehlen am Ende neun Professoren, d.h. ein Fünftel der Professorenschaft. Angesichts einer solchen Situation ist es erstaunlich, dass in dieser Zeit nur zwei Vorlesungen wirklich gestrichen werden : Verwaltungsrecht (Rechtsstreitigkeiten und Finanzen), Doktoratsvorlesung mit dem Schwerpunkt Rechtswissenschaften und Statistik, und Doktoratsvorlesungen mit dem Schwerpunkt von Politik- und Wirtschaftswissenschaften.
In der Tat werden die Vorlesungen und Vorträge einerseits dank Wechsel in der Besetzung der Lehrstüle je nach Veränderungen in den anwesenden Professoren, und andererseits durch die Unterstützung, die die Ankunft von Kollegen darstellt, die durch den Krieg aus ihren Universitäten vertrieben wurden, aufrechterhalten : Die Professoren Lacour und Lévy-Ullmann etwa, von der juristischen Fakultät von Lille, übernehmen per Ministerialerlass vom 27. Oktober 1916 die Verpflichtungen der habilitierten Professoren an der an der juristischen Fakultät von Paris für die Dauer des Krieges ; die Professoren Bourcart, Carré de Malberg, Rolland und der Dozent Oudinot von der juristischen Fakultät von Nancy sind ihrerseits von März bis Dezember 1918 vorübergehend der juristischen Fakultät von Paris zugeordnet.
Die juristische Fakultät von Paris ist somit weit davon entfernt, vom Krieg verschont zu bleiben. Zum Schluss zählt sein Goldenes Buch fast 700 Namen von Studenten, ehemaligen Studenten oder Mitarbeitern, die auf dem Feld der Ehre gestorben sind. Über diese Konkrete Todesfälle hinaus ist der Tod während des ganzen Krieges im Alltag der Fakultät allgegenwärtig. Ab September 1914 werden Tabellen mit der Liste der Gefallenen Angehörigen der Fakultät, die regelmäßig aktualisiert wurden, am Eingang der Rue Saint-Jacques aufgestellt, einem ständigen Durchgangsort für Studenten, Professoren und Mitarbeiter. Ab dem Schulanfang 1916 ist ein Bereich für die Bibliothek den Memorabilien gewidmet, die von den Familien der im Kampf gefallenen Verwandten geschickt werden. Jedes Jahr am Ende des Jahres, ab dem Jahr 1914-915, beginnen die Prüfungen der licence Studiengang (Bachelor) mit der Verlesung durch dem Dekan der Liste der Preisträger, die im Kampf gefallen sind. Hinzu kommt die Litanei der Namen der Gestorbenen, die während der Sitzungen des Rates und der Fakultät aufgezählt werden : Hervé Maguer, Bibliothekar, im August 1914 ; Paul Viollet, Chefbibliothekar, im November 1914 ; Professor Massigli im Juli 1916 ; Professor Maurice Bernard im Oktober 1916 ; Professor Cauwès im April 1917 ; Daniel Bellet, verantwortlich für freie Vorlesungen, im Sommer 1917 ; Rektor Louis Liard im Sommer 1917 ; Professor Renault im Februar 1918 ; Professor Thaller im März 1918 ; Professor Audibert im Juli 1918 ; Professor Beauregard im März 1919 ; Rektor Lucien Poincaré im März 1920. Und wenn die Lehrer zu alt sind, um unter die Fahnen gerufen werden können, so ist das bei ihren Söhnen nicht der Fall. So finden wir in der Litanei der in den Diskussionen zitierten Namen auch die Söhne von Professoren, Audibert, Bartin, Beauregard, Bourguin, Deschamps, Gide, Leseur, Massigli, Meynial, Pillet, Planiol, Saleilles, Thaller, die alle im Kampf fallen.
Um alle die Gefallenen zu gedenken, zusätzlich zu den provisorisch in der Großen Galerie gehängten Gemälde, unternimmt die Fakultät ab 1914-15, Erinnerung und Dokumentation zu verbinden, und diese Bemühungen führen einerseits zur Schaffung eines in der Fakultätsbibliothek aufbewahrten Archivbestands, und andererseits zur Publikation eines Goldenen Buches und zur Errichtung eines Denkmals für die Toten in der Eingangshalle zur Rue Saint-Jacques im Jahr 1925.
Entwicklungen
So in den Mäandern des Krieges gefangen, versucht das „alte Haus“, wie die Fakultät genannt wird, dessen Funktionsweise beizubehalten und sich teilweise bestimmten Anpassungen zu widersetzen, die durch die Umstände fast nicht zu vermeiden sind. Dies gilt insbesondere für die Einführung von Sonderregelungen für mobilisierte Studierende.
Mitte September 1914 wird zwar eine Sonderprüfung organisiert, doch ist dies eine der wenigen Aktionen, die bis 1917 unternommen werden. Bis dahin zögern sowohl die Fakultät als auch die höhere Verwaltung, Maßnahmen für diese oder jene Kategorie von Studenten zu ergreifen, und verschiebt alle Fragen und Entscheidungen auf die Zeit nach Kriegsende. Aber unter dem Druck des Parlaments müssen sich das Ministerium und das Rektorat darauf vorbereiten und im März 1917 Vorschläge für mögliche Anpassungen an den verschiedenen Fakultäten machen. Die juristische Fakultät von Paris gründet Ende März 1917 eine interne Kommission, um einen Bericht zu diesem Thema zu erstellen, und listet dabei einen Teil der zu behandelnden Fragen auf : die Frage nach Änderungen in der Anzahl der Prüfungen, in den Lehrprogrammen, in den Prüfungsarten ; die Frage nach der Organisation der Sitzungen, um die Abschlussprüfungen schneller passieren zu lassen. Der Bericht des Ausschusses wird von Henri Capitant im Mai vorgelegt, und von Mai bis Ende Juni findet eine lebhafte Diskussion statt. Es wird vor allem die Idee kritisiert, dass diese Maßnahmen Ungleichheiten zwischen den Studierenden des klassischen Studiengangs und denen der Sonderregelung herstellen würden, sowie das Risiko der Schaffung von Abschlüssen, die schlechter anerkannt werden. Trotzdem wurden Resolutionen verabschiedet und an das Rektorat weitergeleitet.
Die Frage kommt fast unverändert im Herbst 1917 wieder auf, als nach einem Ministerialzirkular, das vorschrieb, der Promotion 1919 einen besonderen Unterricht anzubieten, um ihre Prüfungen vor ihrer Eingliederung im April 1918 ablegen zu können – was der Klasse 1918 verweigert worden war. Die Fakultät beschließt, die Lehre über ein Semester und nur für Studenten der capacité und licence anzupassen. Jeder Lehrer ist frei, selbst zu bestimmen, was als Grundlagen für seine Vorlesungen im ersten Semester gilt, und von was es im zweiten ergänzt wird, auch wenn die Programme im voraus festgelegt werden müssen. Anders als die im Juni 1917 angenommenen Anpassungsvorschläge bleibt diese Organisation nach dem Krieg bestehen.
In der Tat führt das Dekret vom 10. Januar 1919, das die schulische Situation der mobilisierten Schüler regelt, reduzierte Lehrprogramme ein, nach dem Vorbild der Klasse 1919 (Aus dem Dekret auch zu erwähnen : die Genehmigung zu kumulativen Einschreibungen sowie das Organisieren von vier Prüfungssessionen pro Jahr – Januar, März, Juli und Oktober). So kann die capacité in einem Jahr und eine licence in 18 Monaten erworben werden.
Diese Umstellung der Abläufe für demobilisierte Studenten ist die letzte große Herausforderung, vor die der Krieg der Fakultät stellt. Das Programm für die Klasse 1919 wird für die Klasse 1920 erneuert. Die ersten Aufschübe und Demobilisierungen 1919 führten zu den ersten Sonderprüfungen, vor allem ab Oktober 1919, begleitet von Vorlesungen für Demobilisierte, die eine beschleunigte Prüfungsvorbereitung ermöglichen sollen. 1920-1921 ist mit fast 9.500 Studenten und vor allem mehr als 14.000 Prüfungen die Abschlussreichste Jahr. Um dies zu bewältigen, ist es jedoch im Jahr 1920, anders als zuvor, nicht möglich, Professoren von Universitäten der Provinz zu beauftragen. Ein Ministerialerlass ermöglicht es daher erstmals, einfache Juristen als Hilfsprüfer zu rekrutieren. Diese Bestimmung wird sehr geschätzt und für die folgenden Jahre beibehalten. Dies reicht jedoch nicht aus, um den Jahrgang von 1920-1921 zu bewältigen, so dass die juristische Fakultät in Paris zusätzlich zu den elf Hilfsdoktoren 18 Professoren aus der Provinz einsetzt. Unter diesen Doktoren wird sich die neue Kategorie der Assistenten institutionalisieren. Das erste Jahr sind sie acht, sieben Männer und eine Frau, und werden vom Universitätsrat finanziert. Die Fakultät begründete ihren Antrag für diese Assistenten mit ihren Bedarf an Prüfern, doch ist ihre eigentliche Aufgabe, sich um die spezialisierten Arbeitsräume zu kümmern und Professoren zu assistieren.
Unter den demobilisierten Studenten ist auch eine besondere Gruppe zu erwähnen : die amerikanischen Studenten. 450 von Ihnen sind an der juristischen Fakultät von Paris eingeschrieben, die sie von Ende März bis Ende Juni 1919 aufnimmt. Fünf Spezialvorlesung auf Französisch werden angeboten, und nach jedem zweiten Vorlesung findet auch einen Vortrag auf Englisch zur Erklärung und Evaluierung statt. Acht Professoren bieten diese Vorlesungen und Vorträge an.
Dies ist Teil einer ständigen Sorge während des ganzen Krieges : Wie kann man ausländische Studenten überzeugen, nach Frankreich zu kommen, um gegen die Konkurrenz der deutschen Fakultäten zu kämpfen ? Das Konzept eines Rechtskrieges, der von den französischen Fakultäten getragen wird, impliziert die Notwendigkeit einer möglichst breiten und wirksamen Verbreitung der französischen Zivilisation und Wissenschaft. Neben der Propaganda durch offizielle oder inoffizielle Beziehungen zwischen Fakultäten und durch die Zirkulation von Professoren und ihren Publikationen wurde bereits Anfang 1916 die Frage diskutiert, wie man am besten ausländische Studenten für die französischen Universitäten gewinnen kann. 1917 wird eine Kommission an der Fakultät kreiert, um einen Bericht zu diesem Thema zu erstellen, und neue Arten von Vorlesungen werden 1919 eingeführt, mit Abschlüssen, die sich über ein Semester erwerben lassen.
Die Pariser Fakultät von Paris durchlebt den Großen Krieg zwischen Kontinuität, Anpassung und Evolution. Alltägliche Organisation und Traditionen wurden beibehalten. Die feierliche Sitzung zur Vorlesungsbeginn mit Preisverteilung an die Preisträger wurde sogar 1921 wieder eingeführt. Aber unter dieser Anschein der Kontinuität bleibt die Fakultät vom Krieg zutiefst geprägt. Zuerst durch den hohen menschlichen Tribut, den sie zu zahlen hat, dann durch die Veränderungen in der Organisation der Lehre, die sie annehmen musste – teils widerwillig was die Programmänderungen angeht, und teils mit Vergnügen was die Assistenten angeht. Der Krieg durchdringt auch die gesamte Gesellschaft. Einer der Entwicklungen, die damit an der Universität einhergehen, ist fast unbewusster Natur : Ab Ende 1918 wird über die Einführung eines Studentenheftes nachgedacht. Dieses individuelle Universitätsbuch wird schließlich ab 1920 eingeführt, und die Verwaltung präzisiert, dass es “ein ähnliches Format wie das Wehrpass haben sollte”.
Alexandra Gottely, Bibliothekskonservatorin (Cujas-Bibliothek)