Die Teilnahme der französischen Juristen an der Friedenskonferenz von 1919


Imprimer


Am Ende des Ersten Weltkriegs entsteht auf den Trümmern der alten Imperien ein neues Europa. Die Sieger des Konflikts wollen dem eine neue rechtliche Färbung verleihen. Clemenceau spricht damals von der Schaffung eines „ Europa des Rechts “, das das ultimative Ziel der Alliierten sein sollte, wenn sie über den Frieden verhandeln wollen.

Zu diesem Zweck wenden sich die Alliierten an Juristen, insbesondere an Völkerrechtsexperten, deren fachliche Gutachten regelmäßig eingeholt werden. Hier verstehen wir unter Juristen diejenigen, die durch ihre Ausbildung das Recht kennen und es deshalb praktizieren oder anwenden. Welche Spuren haben die französischen Juristen bei den Friedensverhandlungen und -verträgen hinterlassen  ? Nahmen sie nur eine beratende oder eine aktivere Rolle bei der Friedenskonferenz von 1919 ein  ?

Vorstellung der anwesenden Juristen

Innerhalb der Friedenskonferenz gibt es unterschiedliche Kategorien von „ Juristen “ oder Rechtsexperten, sowohl im Rahmen der französischen Vertretung als auch innerhalb den anderen Alliiertendelegationen und assoziierten Delegationen. Die ersten Juristen, die während des Krieges und danach mobilisiert werden, sind die Juristen der Außenministerien. Zu dieser ersten Gruppe gehören unter anderem die französischen Juristen Louis Renault (der 1918 stirbt) und Henri Fromageot. In anderen Delegationen sind Cecil Hurst, der Jurist des britischen Auswärtigen Amtes und sein Stellvertreter Herbert William Malkin anwesend. Es gibt auch Sir Gordon Hewart, Attorney General und Sir Ernest Pollock, Solicitor General, die die Regierung und die britische Krone in rechtlichen Angelegenheiten beraten. Die Juristen werden regelmäßig zu allen Fragen im Zusammenhang mit dem Kriegs- und Friedensrecht befragt  : So wird Henri Fromageot ab Oktober 1918 konsultiert, um die für den Abschluss eines Waffenstillstands und dann eines Friedensvertrags geltenden Regeln, die möglichen Klauseln des einen und des anderen sowie ihre rechtliche Beteiligung zu bestätigen. In dieser Hinsicht sind die französischen Juristen der Ansicht, dass viele Klauseln unterschiedlicher Art aufgenommen werden könnten ; alles hänge vom „ Grad des Sieges “ ab. Juristen werden auch eingesetzt, um den Austausch zwischen Präsident Wilson und der deutschen Regierung ab dem 4. Oktober 1918 zu beleuchten, der sowohl den möglichen Abschluss eines Waffenstillstands als auch den zukünftigen Frieden betrifft. Tatsächlich schlägt damals Berlin vor, eine Einstellung der Feindseligkeiten zu erreichen, indem man sich mit den Siegern auf die Grundlage des zukünftigen Friedens einigt, das heißt auf die Prinzipien, die in den Reden von Präsident Wilson aus dem Jahr 1918 enthalten sind, beginnend mit dem vierzehn-Punkte-Plan. Die französische und die britische Führung haben große Schwierigkeiten, diese Prinzipien zu akzeptieren, die die Kriegsziele von Paris und London in vielerlei Hinsicht hinderlich sein könnten. Nach heftigen Diskussionen akzeptierten die Alliierten die um zwei Punkte geänderten Prinzipien von Wilson  : Die Briten behalten ihre restriktive Definition der Freiheit der Meere bei, während die Franzosen das Prinzip der Wiedergutmachung in die Basis des Friedens integrieren. Dieses „ präliminäre Waffenstillstandsabkommen “ sollte dem „ Kriegsaustritt “ eine rechtliche Färbung geben, eine vertragliche Grundlage zwischen Siegern und Besiegten, ein „ pactum de contrahendo “, also einen Vertrag sein, der vorab die Bereiche der künftigen Friedensverhandlungen festlegt. Das Grundproblem liegt in der Rechtskraft, die jede Seite diesem Abkommen verleiht  : totale Rechtskraft für die Deutschen, nur relative Rechtskraft für die Sieger, die sich nie ganz an ihn gebunden fühlen werden.

Die zweite Kategorie von Juristen, die an der Friedenskonferenz teilnehmen sind die Professoren für öffentliches Recht. Sie üben dort meist die Rolle von „ Delegierten, Beratern oder technischen Sachverständigen “ aus, die den Bevollmächtigten Auskünfte erteilen sollten. Darunter auch  Ferdinand Larnaude, Dekan der juristischen Fakultät von Paris, Jules Basdevant, Charles Lyon-Caen, Gilbert Gidel (die zwei letztere sind eher auf Wirtschafts- und Finanzfragen spezialisiert) in der französischen Delegation, James Brown Scott in der amerikanischen Delegation, Federico Cammeo von der Universität Bologna für die italienische Delegation oder Sakutaro Tachi an der Kaiserlichen Universität Tokio und eine beträchtliche Anzahl an belgischer Professoren der Universitäten von Leuven, Brüssel, Lüttich oder Gent (nicht weniger als neun unter den „ technischen Experten “). Die serbische Delegation hat ebenfalls eine große Anzahl von Professoren (sechs). Einige Juraprofessoren üben zusätzlich eine Funktion als Rechtsberater wie etwa der Franzose André Weiss oder Albert de Geouffre de La Pradelle  ;(Assistent) oder als Rechtsberater der Republik wie der Brasilianer Rodrigo Otávio, Professor in Rio.

Eine letzte Gruppe von „ Juristen “ nimmt an der Konferenz teil. Es handelte sich um Rechtsanwälte wie den Franzosen Jacques Lyon, Rechtsanwalt am Berufungsgericht von Paris (es gab vier in der brasilianischen Delegation), und Richter wie den Präsidenten Petit am Handelsgericht der Seine oder den Generalanwalt Bloch-Laroque am Berufungsgericht von Paris. Die Richter waren eher in den italienischen Delegationen (dem Berater am Kassationshof von Amelio oder dem Richter Pilotti) und in den belgischen Delegationen mit dem ersten Präsidenten des Kassationshofs Van Iseghem und dem Berater Remy am Kassationshof vertreten. Schließlich zählte die französische Delegation nicht weniger als fünf Staatsräte und einen Berater am Kassationshof, da diese beiden Organe die höchsten Gerichte in der Verwaltungs- und der Gerichtsordnung sind.

Beratungs- und Expertisenrolle

Bereits während des Konflikts wurden Juristen zur Beratung der politischen Entscheidungsträger eingesetzt. So hatte Clemenceau nach seiner Entlassung detaillierte Berichte von Rechtsanwälten verlangt. So bietet er im November 1918 den Dekan der juristischen Fakultät von Paris, Ferdinand Larnaude, sowie Albert de Geouffre de La Pradelle  um einen Bericht über die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Kaiser Wilhelm II. Dieser Bericht schließt auf die Verantwortung des Kaisers ab, und zwar selbst auf der Gundlage der deutschen Verfassung, die dem Kaiser das Recht gibt, den Krieg zu erklären, und das Kommando über die Armee. Die Juristen der britischen Krone gelingen zeitgleich auf demselben Schluss und fordern einen öffentlichen Gerichtsprozess für den Kaiser wegen seiner Verantwortung für die Vergewaltigung der Neutralität Belgiens, die Durchführung des U-Boot-Krieges und die Verbrechen gegen die Gesetze und Bräuche des Krieges. Diese Juristen sind also Teil des „ Rechtskrieges “ gewesen, mit dem sich die Alliierten gegen die Mächten Mitteleuropas rühmten ; einige sind sogar Mitglieder einflussreicher Lobbygruppen wie Ferdinand Larnaude mit dem Nationalen Aktionskomitee für die vollständige Wiedergutmachung der durch den Krieg verursachten Schäden, der eine Position unversöhnlicher Feindseligkeit gegen den ehemaligen deutschen Feind vertritt. Wir werden später auf diese Tendenz zurückkommen. Als Beweis für die Bedeutung des Rechts in zukünftigen internationalen Verhandlungen setzt Clemenceau einen beratenden Rechtsausschuss ein, um die französische Regierung zu beraten, deren Vorsitz er dem Dekan Larnaude anvertraut

Nach der Eröffnung der Konferenz werden die Experten von den Delegationen während der Friedenskonferenz als „ Experten “ oder „ technischer Delegierter “ eingesetzt. Die „ technischen Delegierten “ haben nach Artikel 3 der Geschäftsordnung der Konferenz die Möglichkeit, während der Sitzungen „ die von ihnen verlangten Auskünfte zu erteilen “, gelegentlich das Wort zu ergreifen und nach Artikel 13, mit Zustimmung der Konferenz, „ unmittelbar technische Erläuterungen zu einer bestimmten Frage vorzulegen “. Letzteres kann je nach Lage zur Gründung von Sachverständigenausschüsse führen, die „ die Aufgabe haben, einen Bericht vorzulegen und Lösungen vorzuschlagen “. Ihre Rolle ist in Wirklichkeit tiefer in den technischen Kommissionen zu suchen, die im Laufe der Konferenz eingesetzt wurden, um sich mit genaueren Themen zu befassen. Juristen beteiligen sich vor allem an drei Hauptausschüsse  : die Völkerbundskommission, die Kommission für die Verantwortlichkeit und Sanktionierung der Kriegsverursacher und schließlich die Kommission für Häfen, Wasserstraßen und Eisenbahnen.

Diese drei Kommissionen werden von der Vollversammlungskonferenz Ende Januar 1919 einberufen. Die SGD-Kommission ist in vielerlei Hinsicht sehr besonders  : Die Teilnahme von Präsident Wilson verleiht ihm eine ganz besondere Färbung und mehr Macht als anderen ähnlichen Organen. Nichtsdestoweniger schätzt Wilson, selbst ausgebildeter Akademiker, das Zusammenleben mit anderen Experten und die Diskussionen in diesem Gremium, was die Tonfreiheit jedes einzelnen Mitglieds widerspiegelt. Manchmal erlaubten sich sogar die Juristen, Politiker zu „ zurechtzuweisen “, etwa als Wilson behauptet, die „ Bestrafung durch den öffentlichen Meinung “ sei „ nützlicher als ein Gerichtsurteil “. Ferdinand Larnaude erlaubte sich zu antworten  : „ Die öffentliche Meinung kann die großen Fragen besser beurteilen als ein Gericht, das gebe ich zu, aber die Rechtsfragen, die Auslegungsfragen stehen über ihr. “ Ganz leise fügte er seinem Kollegen Léon Bourgeois hinzu  : „ Sagen Sie mir, mein Freund, bin ich auf der Friedenskonferenz oder in einem Irrenhaus  ? “

So üben die Juristen auch weiterhin eine beratende Funktion für ihre Bevollmächtigten aus, die nicht notwendigerweise mit der Rechtssache vertraut sind. Sie verfassen Notizen und Berichte, um diese Entscheidungen zu beeinflussen, wie es zum Beispiel André Weiss über die Grenzen von Artikel 16 des Paktentwurfs des Völkerbundes tut, der Sanktionen gegen einen Staat vorsieht, der ohne Respekt vor den Mechanismen der friedlichen Streitbeilegung Krieg führt, oder auch Jules Basdevant über die politische Organisation des Völkerbundes. Beide Juristen brachten zwar juristisches Wissen und Fachwissen ein, zögerten aber nicht, in eminent politischen Fragen wie der Zusammensetzung des künftigen Völkerbundsrates oder der Wirksamkeit der Sanktionen des Paktes Partei zu ergreifen.

In der Kommission des Völkerbundes intervenieren die Rechtsexperten daher meist, um fachliche Expertise über Rechtsprobleme zu bringen, die ihre Rechtstradition betreffen  : So gibt es zum Beispiel Debatten über den Begriff des self-government, das den Briten wichtig ist, aber im französischen Recht nicht vorhanden ist. Die französischen Experten betonen auch ihr Unbehagen angesichts der Befugnis eines möglichen Gerichtshofs, den künftigen Pakt des Völkerbundes auszulegen, was nach französischen Recht eher ein Vorrecht des Parlaments darstellt.

Die Erneuerung des Völkerrechts

Aber der Kern der Diskussion innerhalb der Kommission und insbesondere unter Juristen liegt in der Frage des Status der zukünftigen internationalen Organisation, die der Völkerbund sein wird. Soll sie die Souveränität der Staaten in Frage stellen, also einen „ Überstaat “ schaffen, um ein Ausdruck vom Dekan Larnaude zu verwenden, oder wäre sie ein einfacher internationaler Vertrag, der eine föderale Organisation schafft  ? Zu dieser Zeit ist es noch unwahrscheinlich, dass die Aussicht der Schaffung eines Superstaates von internationalistischen Juristen unterstützt werde würde, die sich dafür einsetzten, dass die Staaten als Hauptakteure auf der internationalen Bühne souverän bleiben. Dennoch haben viele französische Juristen den festen Willen, das Völkerrecht zu erneuern, denn der Große Krieg hatte gerade den Beweis geliefert, dass neue internationale Regeln notwendig sind, um zukünftige Konflikte und vor allem die Rückkehr eines Massakers, wie es die kriegführenden Gesellschaften gerade erlebt haben, zu vermeiden. Es geht dabei darum, den Frieden durch Recht zu fördern. Wie Peter Jackson gut gezeigt hat, ist dieser Aspekt in der französischen Diplomatie während und nach dem Ersten Weltkrieg besonders wichtig.

Um dies zu erreichen, sind die französischen Experten bereit, das Dogma der absoluten Souveränität der Staaten bis zu einem gewissen Grad aufzugeben, wenn dieses Ziel erreicht werden kann. Larnaude  : „ Diese Vorstellung von absoluter Souveränität ist, glaube ich, eher abstrakt als real  : In der Tat haben die Staaten seit langem angefangen, ihre Souveränitäts schrittweise zu opfern. […] Wenn es darum geht, ein Recht einzuführen, wollen wir bis zum Ende gehen, offen sagen, dass wir dieses Recht schaffen und an die Stelle des alten setzen wollen, um die Kriege zum Verschwinden zu bringen. “

In der Kommission für Häfen, Wasserstraßen und Eisenbahnen gelingt es die Juristen auch, das Völkerrecht zu erneuern, indem sie sich an der Ausarbeitung neuer Statuten wie der Internationalisierung von Flüssen wie Elbe, Oder und Donau beteiligen.

Derselbe Wille zur Erneuerung des Völkerrechts zeigt sich in der Tätigkeit der Juristen in der Kommission für die Verantwortlichkeiten der Kriegsverursacher und deren Sanktionierung. Diese wird vom US-Außenminister Robert Lansing, geleitet, der Anwalt von Beruf ist. Viele Juristen befinden sich unter den Mitglieder. Im Gegensatz zur SGD-Kommission verschafft die geringere Präsenz von Politikern und Diplomaten den Juristen mehr Handlungsspielraum. Die französischen Juristen fordern eine kleine Revolution im Status von natürlichen Personen in der internationalen Ordnung  : Sie wünschen, dass diejenigen, die wegen Verstößen gegen die Gesetze und Bräuche des Krieges angeklagt waren, nicht vor nationalen, sondern vor internationalen Gerichten vor Gericht gestellt werden – wobei zu diesem Zeitpunkt unter internationaler Gericht die Gerichte der Allierten gemeint sind. Die Franzosen können dies nur teilweise durchsetzen, da diese Gerichte nur gegen Angeklagte eingerichtet werden sollen, die verbündete Staatsangehörige mehrerer Nationalitäten verletzt haben (Artikel 229 des Versailler Vertrags). Dagegen erhält er die Schaffung dieses Gerichts zur Beurteilung des Kaisers (Art. 227).

Das Recht im Dienst der Sanktionierung Deutschlands

Die französischen Juristen, die in der Verantwortungs- und Sanktionskommission anwesend sind, fordern diese Verurteilung auf der Grundlage der Haltung des Kaisers in den Ursprüngen des Konflikts. Wie Ferdinand Larnaude selbst fordern sie zudem, dass die „ Enthaltsamkeit “ des Kaisers in dieser Angelegenheit als Teil seiner Verantwortung berücksichtigt wird. Darunter wird die Tatsache verstanden, dass er gegen die Urheber von Verstößen gegen die Gesetze und Bräuche des Krieges nichts unternommen hat. Diese Stellungnahmen zeigen den starken Willen einiger dieser Juristen, den ehemaligen Feind zu bestrafen. Diese Position, obwohl sie von den Briten unterstützt wird, tritt jedoch in Konflikt mit Stellungnahmen von amerikanischen Juristen, die zwei Argument-Linien vorbringen. Die erste besteht darin, das Grundprinzip nulla poena sine lege (keine Strafe ohne bereits bestehendes Gesetz) zu bekräftigen, das für den Fall des ehemaligen Kaiser noch kein Gesetz in diesem Sinne bestand. Darüber hinaus widersetzten sie sich jedem Urteil, das auf der Abwesenheit einer positiven Handlung beruhte. Die amerikanischen Juristen äußerten übrigens bei der Abfassung des Kommissionsberichts Vorbehalte zu diesen Punkten. Die Franzosen mussten sich daher damit abfinden, den Kaiser nicht wegen der Verantwortung an der Ursprung des Krieges anzuklagen, zum großen Ärger von Larnaude, auch nicht wegen Verbrechen nach den Strafgesetzen, sondern nur wegen „ höchster Beleidigung der internationalen Moral und der heiligen Autorität der Verträge “, das heißt grundsätzlich wegen der Verletzung der Neutralität Belgiens.

Diese antideutsche Haltung war, neben dem Willen zur Erneuerung des Völkerrechts, auch ein Schwerpunkt der Überlegungen der Juristen zum Völkerbund. Sie plädierten dafür, dass der Völkerbund mit Zwangsmitteln ausgestattet wird, damit seine Aktion wirklich wirksam sein kann, das heißt, eine echte internationale Kraft, die die angreifenden Staaten bestrafen und den Frieden erhalten kann. Die französischen Juristen hatten das französische Projekt des Völkerbundes unterstützt, das von der interministeriellen Kommission unter dem Vorsitz von Léon Bourgeois während des Konflikts vorbereitet worden war. „ Das Recht ist nichts, wenn es nicht die Kraft hinter sich hat “, betonte der Dekan Larnaude. Die Versuche von Léon Bourgeois und Ferdinand Larnaude, eine solche Truppe oder sogar einen internationalen Generalstab zu schaffen, scheiterten jedoch an der Feindseligkeit der angelsächsischen Delegierten. Die Erneuerung des Völkerrechts zeigt also ihre Grenzen, aber die französischen Juristen werden, obwohl sie dem Völkerbund verbunden sind, einen gewissen Groll gegen dieses relative Scheitern hegen.

Die Rolle der Rechtsexperten beschränkt sich nicht auf die Ausarbeitung der Vertragsklauseln oder gar auf deren Abfassung – auch wenn das Redigieren dieser Klauseln größtenteils den letzteren im Redaktionskomitee der Konferenz obliegt und Henri Fromageot diese Fragen auf französischer Seite in den Griff bekommt. Die Juristen beteiligen sich auch an der Reaktion der Alliierten auf die Deutschen, als diese aufgefordert werden, die Bedingungen von Mai Anfang Mai 1919 zur Kenntnis zu nehmen. Ferdinand Larnaude beteiligt sich etwa an der Ausarbeitung der alliierten Antwort auf die deutschen (bezüglich der Sanktionen) und österreichischen (bezüglich des Völkerbundes) Gegenvorschläge, während Jules Basdevant sich mit der Frage der österreichischen Verantwortung beschäftigen wird. Hier zeigen die Juristen auch ihre politische Rolle, indem sie ihrer Meinung nach die Verantwortung der Mittelmächte in diesem Bereich betonen. Ihre Funktion wird als wesentlich erachtet, da sich die deutsche Delegation dafür entschieden hatte, die Frage der Verantwortung am Kriegsausbruch durch die andere Frage der Nichteinhaltung der Verpflichtungen der Alliierten bei der Aushandlung des Pre-Waffenstillstandsabkommens zu umgehen.

Versailles wurde von einigen, wie Bertrand de Jouvenel, als „ Frieden der Juristen “ beurteilt. Dies war zum Teil dem Wirken prominenter Rechtsexperten zu verdanken, die in vielen Bereichen die Entscheidungen der „ Friedensstifter “ von 1919-1920 beeinflussten. Auf französischer Seite haben diese Juristen an dem Willen zur Erneuerung des Völkerrechts teilgenommen, das sich in einem effektiven Völkerbund verkörpern sollte. Aber der Wille zur Wirksamkeit dieser internationalen Organisation in Verbindung mit dem Kapitel über die Sanktionen, die gegen die Besiegten verhängt werden sollten, war auch die andere Seite der Aktion der Juristen, die Teil des „ Rechtskrieges “ gegen die Mittelmächte waren  : Ihre Aktion zielte darauf ab, die Besiegten zu bestrafen und sich gegen ihre Rache zu schützen. Vergeblich.

Vincent Laniol, Dozent und Doktor der Geschichtswissenschaften


Literaturangaben

Deperchin Annie, « Die französischen Juristen und der Versailler Vertrag », dans Gerd Krumeich, Silke Fehlemann (dir.), Versailles 1919  : Ziele-Wirkung-Wahrnehmung, Essen, Allemagne, Klartext Verlag, 2001, p. 87‑102.

Jackson Peter, Beyond the balance of power : France and the politics of national security in the era of the First World War, Cambridge, Royaume-Uni, New York, États-Unis d’Amérique, Cambridge University Press, 2013.

Kevonian Dzovinar, Rygiel Philippe (dir.), Profession, juristes internationalistes  ?, « Monde(s) histoire espaces relations », no 7, Rennes, France, Presses Universiatires de Rennes, 2015.

Laniol Vincent, « Ferdinand Larnaude, un ‘délégué technique’ à la conférence de la Paix de 1919 entre expertise et ‘culture de guerre’ », dans Relations internationales, no 149, 2012, p. 43‑55.

—, «  Être expert à la conférence de la Paix de 1919  : tentative de comparaisons internationales  », dans Stanislas Jeannesson, Fabrice Jesné, Éric Schnakenbourg (dir.), Experts et expertises en diplomatie, Rennes, France, Presses universitaires de Rennes, 2018, p. 145‑169.

Smith Leonard V., Sovereignty at the Paris Peace Conference of 1919, Oxford, Royaume-Uni, Oxford Univeristy Press, 2018.