Die katholische Rechtsfakultät Lyons kurz vor dem Krieg

1913 freut sich durch einen Bericht der Dekan der katholische Rechtsfakultät von Lyon Charles Jacquier auf den Erfolg seiner Fakultät und insbesondere was der Zahl der Studenten betrifft. Er wusste es gar noch nicht, dass der nächste offizielle Schulanfang nur sechst Jahre später stattfinden wurde. Der Ersten Weltkrieg wird nämlich die ganze Organisation der Universität für Studenten und Lehrer umstoßen.

Kurz vor dem Krieg hatte sich die Organisation der Universität noch fast nie verändert. Die katholische Rechtsfakultät wurde im November 1875 eingeweiht. Zwei Jahre später erscheinen die Fakultäten für Wissenschaften und für Geisteswissenschaften, was ermöglicht der gesamten Institution, der Name von „Universität” zu tragen. Nach dem Gesetzt der 12. Juli 1875 sollt nämlich eine Universität aus zumindest drei Fakultäten bestanden sein, um diesen Titel zu bekommen. Dieser Titel ermöglicht auch die Schaffung einem gemischten Jury (das heißt ein Jury zur Hälfte aus Lehrern von katholischen Fakultäten und zur Hälfte aus Lehrern von Staatsfakultäten bestanden), vor dem die Studenten der katholischen Fakultäten ihrer Prüfungen schreiben können. Die loyenere Katholiken profitieren also sehr schnell dem Gesetz. Das ist auch den Fall in anderen Städten, da eine katholische Universität erscheint auch in Paris, Angers und Lille. Die katholische Universität von Lyon ist jedoch schon seit ihre Anfang durch die Einführung einer Staatsuniversität auch im November 1875 konkurriert. Die Koexistenz der beiden Universitäten zeigt eine ideologischen Brennpunkt: die katholische Universität möchtet ein Rechtsunterrichten in Übereinstimmung mit der katholischen Werten geben, während die Staatsuniversität will ein solches Unterrichten eher in Übereinstimmung mit der republikanischen Werten geben. Dies ideologischen Kampf führt zum Gesetz der 18. März 1880. Kraft dieses Gesetzes dürfen die katholischen „Universitäten” nicht mehr diesen Titel tragen und dürfen auch kein gemischte Jury mehr haben.

1913 war diese Organisation immer noch fast dieselbe, und die katholischen Universitäten waren immer noch unter die Führung der Bischöfe. Verschiedene Raten existieren auch: der akademisch Rat, der Rat der Fakultäten und der Rat des Oberschulamtes. Die wichtige Rolle ist jedoch die des Rektors (der von der Bischöfe berufen ist). 1913 haben wir der fünfte Rektor der Universität, der Monsignore Fleury Lavallé. Der erste Rektor war der Priester Louis Guiol von 1877 zu 1884, denn der Monsignore Jean-Louis Carra bis 1894, Monsignore Pierre Dadolle bis 1906 und endich Monsignore Devaux. Monsignore Fleury Lavalée hatte dises Amt von 1910 zu 1945. Die Rektoren kümmern sich wirklich um die Führung der katholischen Fakultäten: sie vorsitzen die verschiedenen Räte, unterstrichen und erlassen die Hausordnungen, oberwachten des Inhaltes der Unterrichten und die Disziplin. Sie können auch die Zulassung oder die Ausschließung einem Student verhängen. Der Rektor schlägt auch den Bischöfe die Kandidaten zum Amt von Prorektor, Dekan oder Prodekan, Lehrer und Generalsekretär vor. Wie gesagt, Charles Jacquier ist 1913 der Dekan der Rechtsfakultät von Lyon (nach Henri Beaune, der dies Amt inne bis 1906 innehat).

Wie gesagt, die Organisation der Rechtsfakultät hat sich fast nicht verändert. Das ist auch den Fall der Gebäude: die Unterrichten finden immer noch 1913 in ein kleinen Gebäude der Platz Saint-Michel (seitdem Platz Vollon geworden) statt, und die Rechtsfakultät zieht nur am Ende des Krieges um (sie findet sich also in l’hôtel de Cuzieu in Saint-Hélène Straße).

Der Lehrkörper veränderte auch fast nicht zwischen 1875 und 1913: der ist 1875 aus 10 Professoren bestanden, und 14 1913. Zusätzlich zu dieser 14 Professoren haben wir ein Dozent, Emmanuel Gounot, der auch ein ehemaliger Student der Rechtsfakultät Lyons ist. Zu dieser Zeit hat er gerade seine Doktorarbeit in Staatsrechtsfakultät von Dijon verteidigen. Die Studenten der katholischen Fakultäten Universitäten müssen nämlich seit dem Gesetz von 1880 ihre Disputation in eine staatliche Fakultät verteidigen, und einige – unter denen Emmanuel Gounot – mögen es lieber, in eine andere Stadt zu gehen, weil sie haben Angst davor, dass die Staatsfakultät ihrer Stadt befangen ist. Es ist schwer zu sagen, ob dieses Gefühl der Ungerechtigkeit real oder nur vermeintlich war, aber Paul Brac de La Perrière (erster Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät) beklagte sich unter Berufung auf die Ergebnisse der Prüfungen des Jahres 1877 (ein Jahr vor der tatsächlichen Einführung gemischter Prüfungskommissionen) über den Unterschied zwischen den abgelehnten Bewerbern in Lyon und Grenoble. Dem Dekan zufolge wurde 1877 nur 1 von 10 Kandidaten in Grenoble abgelehnt, gegenüber 4 von 10 in Lyon (Sitzung vom 15. August 1877, Protokoll der Sitzungen des Rektorats, aufbewahrt im Archiv der UCLy). Dies erklärt die Haltung einiger Kandidaten, die es vorzogen, ihre Prüfungen an der weiter entfernten Rechtsfakultät von Grenoble abzulegen. Der junge Doktor Gounot wurde 1913 zum Dozenten ernannt, 1919 zum stellvertretenden Professor und zwei Jahre später zum ordentlichen Professor.

Die Kontinuität des Lehrkörpers ist eindeutig, da eine Reihe von ihnen fast von Anfang an dabei waren und somit die Säulen der Rechtsfakultät verkörpern. Dies gilt für den Dekan Charles Jacquier, aber auch für den Prodekan Alexandre Poidebard, den Professor für internationales Recht André Gairal de Sérézin, den Wirtschaftler Joseph Rambaud sowie für Sébastien Wies (Zivilrecht) und Gilbert Boucaud (Handelsrecht). Auch André Mouterde ist praktisch seit Beginn an dabei, da er seit 1877 einen Lehrstuhl für Zivilprozessrecht innehat.Wir können bemerken, dass die Lehrer oft lange im Amt bleiben: mehrere waren Professoren lange mehr als 40 Jahre. Beispielweise war Joseph Rambaud Lehrer 45 Jahre lang. Deswegen entscheidet 1923 die katholische Fakultät es, seine Name zum Wirtschaftslehrstuhl zu geben.

Die Unterrichten, die in die katholischen Fakultäten gemacht sind sind fast dieselben wie die, die in die Staatsfakultäten gegeben sind. Die große Verschiedenheit ist das Ziel der Unterrichten: wie gesagt möchten die katholischen Fakultäten die katholischen Werte verbreiten. Deswegen wurden die conférences du vendredi (Freitags Konferenzen) organisiert, um diese Werte zu eines weiteren Publikum zu präsentieren. Diese Konferenzen existieren seit 1878 und finden zwischen Januar und April statt. Die verschiedenen Lehrkräfte nehmen abwechselnd daran teil und richten sich an Gasthörer. Auch Frauen sind zugelassen, da das Ziel dieser Vorlesungen darin besteht, ein möglichst breites Publikum anzusprechen. Dies scheint funktioniert zu haben, denn die Zahl der Zuhörer wird auf 200 bis 300 Personen pro Jahr geschätzt. Im Jahr 1913-14 halten zwei Dozenten der Rechtswissenschaftlichen Fakultät Vorlesungen: Auguste Rivet über die Etappen der Konfiszierung kirchlicher Güter und Sébastien Wies über „Simon Renard, Botschafter Karls V., und die Heirat von Maria Tudor”.

Wenden wir uns nun den Studierenden zu: die katholische Rechtsfakultät von Lyon zählte am Vorabend des Ersten Weltkriegs 104 Studierende. Dies ist ein sehr leichter Rückgang gegenüber dem Vorjahr, für das Dekan Jacquier 115 Studierende angibt; allerdings ist seit den Anfängen im Jahr 1875 ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen. Es sei daran erinnert, dass die katholische Rechtsfakultät bei ihrer Eröffnung nur 73 Studenten und 10 Lehrstühle zählte. Diese Zahl bleibt jedoch moderat, wenn man sie mit der der katholischen Rechtsfakultät von Paris im gleichen Zeitraum vergleicht, die mehr als 400 Studenten zählte. Im Vergleich dazu hatte die staatliche Rechtsfakultät von Lyon ebenfalls eine unvergleichlich hohe Zahl von Studierenden: 585 Studierende am Vorabend des Krieges. Die kleine Zahl der Studenten belästigt übrigens die katholischen Fakultäten von Lyon, die sich fragen ob sie weiter existieren können werden, wenn der Krieg beginnt.

Im Gegensatz zum Rest haben sich die Unterrichtessprogrammen der katholische Rechtsfakultät viel verändern. Präziser haben sich ihre Inhalt vergrößert. Die katholischen Fakultäten sollen nämlich ihre Shulesprogrammen verändert um sich auf der der Staatsuniversitäten umzustellen. Das war nicht eine Auflage, aber das war für den Erfolg der Studenten wünschenswert, sofern sie nämlich seit dem Gesetz von 1880 nur über die Programmen der Staatsuniversitäten bewerte wurden. In der Folge wurde das Programm, das sich ursprünglich hauptsächlich auf das Studium der napoleonischen Texte konzentrierte, durch verschiedene Reformen des Jurastudiums zwischen 1877 und 1907 schrittweise durch einen vielfältigeren Lehrplan ersetzt. Im Jahr 1875 umfassten die Lehrveranstaltungen im ersten Studienjahr somit römisches Recht und Zivilrecht. Im zweiten Studienjahr kamen zu diesen beiden Fächern noch Zivilprozessrecht und Strafrecht hinzu. Im dritten Studienjahr schließlich umfasste das Programm Zivilrecht, Handelsrecht und Verwaltungsrecht.

An den (katholischen oder staatlichen) Rechtsfakultäten tauchten dann verschiedene innovative Lehrveranstaltungen auf. Dies war ab 1877 mit der Volkswirtschaftslehre der Fall, drei Jahre später folgten Rechtsgeschichte und internationales Privatrecht. Die Volkswirtschaftslehre wurde dann 1890 ins erste Jahr verlegt, bevor sie 1907 auch im zweiten Jahr unterrichtet wurde. Das Verfassungsrecht tauchte dann im Bachelor-Studiengang auf, zunächst im ersten Jahr unter dem Titel „Grundlagen des Verfassungsrechts und Organisation der öffentlichen Gewalt” im Jahr 1889, dann unter dem Titel „Verfassungsrecht” im Jahr 1907. Im dritten Jahr schließlich vermehrten sich die Wahlmöglichkeiten, was die Lehrkräfte stark beanspruchte, bevor es 1895 zu einer deutlichen Reduzierung kam.

Die katholische Rechtsfakultät von Lyon ist kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs insgesamt eine kleine Provinzfakultät. Mit etwa hundert Studierenden bleibt ihre Zahl moderat, aber sie behauptet sich und setzt ihre Arbeit fort. Als Entwicklung ist lediglich die Diversifizierung des Lehrangebots und die Öffnung für Verwaltungs- und Politikberufe zu verzeichnen, mit der Einführung verschiedener Kurse im Staatsrecht, die sicherlich die wichtigste Veränderung an der katholischen Rechtsfakultät von Lyon seit ihren Anfängen darstellen.

Myriam Biscay, Dozentin für Rechtsgeschichte, Jean Moulin – Lyon 3, Centre lyonnais d’histoire du droit et de la pensée politique (Zentrum für Rechtsgeschichte und politische Philosophie in Lyon)


Literaturangaben

Biscay Myriam, « L’instauration des jurys mixtes : l’exemple lyonnais de la Faculté catholique de droit », dans Revue d’histoire des facultés de droit et de la culture juridique, du monde des juristes et du livre juridique, vol. 39‑40, 2019, p. 899‑925.

—, « Les conférences publiques des facultés catholiques de Lyon : l’enseignement d’un droit chrétien, instrument d’une propagande de défense de l’Église », dans Les Études Sociales, vol. 173, no 1, 2021, https://shs.cairn.info/revue-les-etudes-sociales-2021-1-page-27, p. 27‑50.

—, « Le combat des facultés catholiques face à l’enracinement de la république (1880-1914) », dans Cahiers Jean Moulin, no 10, 2024, https://journals.openedition.org/cjm/2901.

—, « Les facultés de droit catholiques : des armes de propagande au service de l’Ordre Moral », dans Olivier Dard, Bruno Dumons (dir.), L’Ordre Moral 1873-1877 : royalisme, catholicisme et conservatisme, Paris, 2025, p. 269‑280.

Gaudin Cédric, Les Facultés catholiques de Lyon (1875-1885), Mémoire de maitrise d’histoire contemporaine, soutenu à l’université Lumière Lyon 2 sous la direction d’Étienne Fouilloux, 1999.

Moulinet Daniel, « Regard sur l’histoire de la Faculté de droit », dans Revue de l’Université catholique de Lyon, vol. 31, 2017, p. 29‑36.