Zwischen Wissenschaft und Patriotismus : Juristische Zeitschriften im Krieg (1914-1918)


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Im Hochsommer 1914 brach in Europa ein beispielloser bewaffneter Konflikt aus. Das Ausmaß, die Brutalität und die weltweite Ausdehnung dieses Krieges, von der man erwartete, dass er nur von kurzer Dauer sein würde, brachten ihm den Namen „Großer Krieg“ ein ; er sollte auch die „Der des ders“ sein (die letzte der letzten).

Jedoch, bevor die ersten Kanonenschüsse ertönten, und bevor die ersten Schützengräben ausgehoben wurden, war bereits eine Klasse der Bevölkerung an einer anderen Front besonders mobilisiert.

In der Tat führen die französischen und deutschen Gelehrten zu diesem Zeitpunkt schon seit mehreren Jahrzehnten einen regelrechten „Krieg der Wissenschaften“ in Physik, Chemie und Medizin, der zum einen durch die fortwährenden Fortschritte in diesen Disziplinen, und zum anderen durch die Verbreitung der patriotischen Gefühle beflügelt wurde. In den Rechtswissenschaften tobt dieser Konflikt der Gelehrten seit viel länger. Die französischen Juristen verteidigten ihr „rationales“ Modell und ihre „universellen“ Kodizes gegen das Volksrechts der deutschen Juristen, die  auf die Dynamik und auf den internationalen Ruf ihrer Universitäten stolz waren. Diese wissenschaftliche Rivalität war schon durch die Niederlage von Sedan und den daraus entstandenen Rachegeist, sowie durch die Verkündung des bemerkenswerten  Bürgerlichen Gesetzbuches  (BGB) um die Wende  des 20. Jahrhunderts, angeheizt worden. Mit dem Kriegseintritt der beiden Länder erreichte sie ihren Höhepunkt.

Die französischen Juristen engagierten sich wortwörtlich mit Leib und Seele in diesem Krieg. Wie ihre Landsleute engagierten sich viele Juristen, Akademiker und Studenten, jung oder alt, auf dem Höhepunkt ihrer Karriere oder den schönsten Hoffnungen versprochen, sich verpflichtet zu haben oder unter die Fahne gerufen worden zu sein. In den juristischen Zeitschriften zeugte die ungebrochene Abfolge von Hommagen an den Mitarbeitern, die im Kampf fielen, sowie die Erwähnung ihrer Hingabe und manchmal sogar ihrer Heroismus, vom ausgeprägtem Pflichtgefühl und von der Opferbereitschaft der Juristen. Viele, die zu alt waren, um an die Front gehen zu können, zögerten nicht, ihren Dienst an der Universität wieder aufzunehmen, und gingen manchmal, wie der Professor Camille Levillain (aus Bordeaux) aus dem Ruhestand, um ihre jungen Kollegen zu ersetzen, die in den Kampf zogen ; die anderen führten den Krieg auf ihre eigene Weise und mit ihren eigenen Waffen. Häufig fand es in den Fachzeitschriften statt.

Wenn wir die großen juristischen Zeitschriften der Zeit durchgehen, können wir feststellen, dass ihre Redakteure sich durch zwei Dynamiken mobilisierten, die sich ergänzten und im Gegensatz zueinanderstanden. Die erste war eine ganz klassische Dynamik, die man als „doktrinär“ bezeichnen kann, nämlich das Recht zu erklären und interpretieren, und es vor allem im Alltag im besonderen Kontext vom Krieg und Belagerung neu zu ordnen – oder gar wieder aufzubauen. Als unermüdliche Erbauer von „theoretischen Kathedralen“ standen die Akademiker mit Sorge, wie der Krieg und seinen Ausnahmegesetzen ihre intellektuellen Gebäude und ihre großen Prinzipien zerstörten. Dennoch akzeptierten sie bald die Perspektive einer längeren Störung des akademischen Betriebs und engagierten sich in dem Konflikt, indem sie Prinzipien, Theorien und juristischen Architekturen entwickelten, die in dieser Notsituation operieren konnte. Diese doktrinären Arbeiten waren sehr Hilfreich, um die rechtliche Lage in Kriegszeiten zu begreifen, aber sie hatten auch eine gewisse kathartische Dimension : Die Dogmatik scheinte für die Juristen ein Mittel zu sein, um mit den Verlust von Bezugspunkten umzugehen, und sollte die symbolische Permanenz des Rechts auf die Tatsachen sowie die des konstruierten und geordneten Denkens über Ereignisse und Akte improvisierter Mächte, markieren.

Hingegen missachtete die zweite Dynamik die lehrmäßigen Vorsichtsmaßnahmen und die wissenschaftliche Neutralität, auf die sich das juristische Denken der Belle Époque berief. Es handelte sich in der Tat um eine Art „Kampfdynamik“, die sich ganz überraschend mit den zuvor erwähnten technischeren Arbeiten überschnitten. Im Zuge dessen veränderten sich die juristischen Zeitschriften. Sie waren nun mit einer Vielzahl von Artikeln überladen, die nicht mehr viel mit den Rechtswissenschaft zu tun hatten, und verwandelten sich in echte antideutsche Propagandamedien, in denen wissenschaftliche Abrechnungen, Rachegeist und „patriotische Pflicht“ vermischt waren. In diesen Zeitschriften waren es nicht Soldaten aus Fleisch und Blut – traurige Gleichgesinnte und Gegner des Unglücks –, denen man gegenübersteht : Es war der „Feind“, der „Deutsche“, den man essentialisiert und dessen intellektuelle, moralische und zivilisatorische Mängel man „wissenschaftlich“ aufdeckte. Von einem Patriotismus getragen, der auf jede Seite hochgetragen wurde, und vielleicht auch von einer Form der Schuld, fern von der Stirn zu bleiben, während andere ihr Leben riskierten, vergißen dabei viele geistvolle und respektierte Professoren in ihren Schriften den Sinn des Maßes und der Vernunft.

Zeitschriften an der Rechtsfront : Doktrin und Dogmatik im Krieg

Man darf sich hier nicht über die Absichten und Leistungen der Doktrin während des Ersten Weltkrieges täuschen. Die Juristen kämpften nicht für die Wahrung des Rechts der Belle Époque, sondern für die Wahrung des Rechtsgedankens selbst, eines konstruierten und systematisierten Rechts, obwohl es den Härten der Zeit angepasst war.

Gewiss, einige Autoren hatten sich anfangs über die außergewöhnlichen Maßnahmen, die in den Wochen vor dem Konflikt ergriffen wurden, sowie über die Erklärung des Belagerungszustands, die ohne Debatte seit den ersten Tagen der Mobilisierung im August 1914 verabschiedet wurde, gerührt. In der vierteljährlichen Zeitschrift für Zivilrecht (RTDCiv) fragte Albert Wahl nach den Folgen der zahlreichen regulatorischen Bestimmungen, die seit Juli 1914 die privaten Beziehungen einschränkten : Schutzklauseln für Sparkassen, Aussetzung der Vorschriften und Verjährungsfristen für Hypothekeneinträge, Aussetzung der Transkripte… Der Pariser Professor war vor allem über die Befugnis besorgt, die der Gesetzgeber der Exekutive durch das Gesetz vom 5. August 1914 erteilt hatte : „Ist diese Befugnis verfassungskonform ? Die Bejahung kann unseres Erachtens kaum unterstützt werden.“ Die Warnung des Autors endete hier. In der Tat erinnerte Wahl daran, dass „da es keine Möglichkeit gibt, ein verfassungswidriges Gesetz anzugreifen“, die Juristen in diesem Punkt jedenfalls keine Handhabe hatten. Er wich das Problem einigermaßen geschickt aus, indem er daran erinnerte, dass die Frage verfassungsrechtlicher Natur war und „den Rahmen dieser Zeitschrift sprengen würde“, die dem Privatrecht gewidmet war ! Und wenn die zahlreichen Dekrete, Erlasse und Rundschreiben, die über das Land ergangen und die Rechtsstaatlichkeit störten, oft außerhalb des Rahmens dieser Delegation entschieden wurden, bestand keinen Zweifel daran, dass das Parlament in Kürze „alle diese Dokumente durch spätere Gesetze ratifizieren wird“. Im Grunde, auch wenn es zwar seit dem Sommer 1914 zahlreiche Ausnahmeregelungen gab, die gegen die Grundprinzipien und Freiheiten verstießen, blieb der republikanische Rahmen des Regimes und die großen Mechanismen der Rechtsstaatlichkeit unberührt. Die Position der Juristen war daher, dass solange diese beiden Aspekte bestehen blieben, sie bezüglich den Verstößen gegen die individuellen Rechte und die öffentlichen Freiheiten tolerant blieben.

In allgemeinen Zeitschriften wie die Rechtssammlungen Sirey und Dalloz und sogar in öffentlich-rechtlichen Zeitschriften, war die Position identisch. Während der Belagerungszustand der Militärbehörde weitreichende Befugnisse bescherte, halteten sich die Juristen an eine Art prinzipielle Wachsamkeit hinsichtlich der Aufrechterhaltung einer reduzierten, aber akzeptablen Form der republikanischen Legalität durch die Macht. Der Pariser Professor Joseph Barthélémy, der später Justizminister des Vichy-Regimes wurde, verteidigte in seiner Artikelserie zum „öffentlichen Recht in Kriegszeiten“ (Revue du droit public) die Idee einer „Kriegslegalität“, die strenge Einschränkungen der Rechte und Freiheiten mit sich bringt und bis zur Akzeptanz eines gewissen Maßes an Illegalität und Ungerechtigkeit geht, um die übergeordneten Interessen des Vaterlandes zu wahren. Nur Entscheidungen, die „mit einer Rechtswidrigkeit behaftet sind, die über das gewöhnliche Maß der Fehler hinausgeht“, könnten daher zu Recht in Frage gestellt werden.

Bartholomäus stellte im Übrigen fest, dass sich diese neue Ordnung der Dinge und des Rechts natürlich im Lande durchgesetzt hatte : „Die Erklärung des Belagerungszustandes und namentlich die Tatsache des Krieges haben in der öffentlichen Meinung und selbst bei den Regierungs-, Verwaltungs- und Gerichtsbehörden eine besondere Mentalität geschaffen, die der Macht positiv eingestellt ist und leichter dazu neigt, zugunsten des Gemeinwohls Einschnitte in den individuellen Rechten zuzulassen.“

Unabhängig davon, ob diese „besondere Mentalität“ wirklich existierte oder nicht, veränderte grundlegend das totale Engagement für den Konflikt das Leben der Franzosen. Das Recht der „Friedenszeit“ verschwand dann zugunsten eines Rechts der „Kriegszeit“, dessen Regeln und Prinzipien auf den Kopf gestellt wurden.

Angesichts der unaufhörlichen Produktion von Texten, Normen und Kriegsrechtsprechung mobilisierte sich die Lehre aktiv, um dieses neue Recht zu erklären, es zu organisieren, ihm Prinzipien zu geben, zum Kurz, um es in Ordnung zu bringen. Die Zeitschriften standen dabei an vorderster Front : Ihre periodische Erscheinungsweise verlangte von den Urhebern eine kontinuierliche Berichterstattung über die Rechtslage. Um dies zu erreichen, verfügten die meisten von ihnen über Rubriken, die ausschließlich dem Recht aus dem Krieg gewidmet waren ; in den Inhaltsangaben der Zeitschriften nahm das Thema „Krieg“ jetzt einen beträchtlichen Platz ein.

Ob es sich um Zivil- und Handelssachen handelt (u.a. A. Wahl, „Der Krieg als höhere Gewalt, insbesondere im Bereich des Warenverkaufs“, RTDCiv), den Status der Soldaten und ihre Rechtsgeschäfte (L. Julliot „Über die Rechtsnatur des militärischen Testaments und die Modalitäten seiner Hinterlegung bei den Notaren“, RTDCiv) oder um die Funktionsweise der staatlichen Dienste (L. Rolland, „Die lokale Verwaltung und der Krieg“, RDP), wurde die neue normative Ordnung täglich analysiert. Als Vorposten des Rechts komponiert die Lehre dringend ein Mosaik von Studien in den Zeitschriften, die den Auftakt zu weiteren Systematisierungsarbeiten bilden : 1918 vollendet der unermüdliche Albert Wahl sein Buch Zivil- und Handelsrecht des Krieges, eine bemerkenswerte Synthese, von der viele Passagen bereits in Form von Chroniken oder Artikeln in der Vierteljahreszeitschrift des Zivilrechtsskizziert worden waren.

Zweifellos hatten die Zeitschriften es der Doktrin ermöglicht, eine Form der „juristischen Orthopädie“ des Alltags zu betreiben, indem sie im Recht der „Kriegszeit“ eine gewisse Kohärenz und einen bestimmten Geist aufrechterhalten haben, der über die Kraft und die Tatsache hinausgeht. In diesem ermüdenden, aber rettenden „Kampf für das Recht“ spielten wissenschaftliche Zeitschriften die Hauptrolle.

Neben diesem wissenschaftlichen und dogmatischen Werk gab es jedoch viele Artikel, die für die heutigen Leser überraschend wirken. Voll in dem Konflikt verwickelt, verwandelten die französischen Juristen ihre Zeitschriften in echte Propagandainstrumente und halten dort Reden mit politischen Wendungen, die in der französischen Rechtsprosa und im französischen Rechtsdenken völlig ungewöhnlich sind.

Von der Wissenschaft zur Propaganda : Juristische Zeitschriften, „Kampfzeitschriften“

Der juristische Patriotismus äußerte sich zunächst durch das Verschwinden der deutschen wissenschaftlichen Arbeiten aus den französischen Zeitschriften ab 1914. Diese wurden nicht mehr rezensiert und es wurden keine deutschen Autoren und Werke mehr zitiert, nicht einmal in Fußnoten ; die deutsche Rechtswissenschaft existierte sozusagen nicht mehr ! Vor dem Krieg konnte die deutsche Rechtswissenschaft einen besonderen Stellenwert in der französischen juristischen Welt genießen. Im 19. Jahrhundert war sie unter den ausländischen Quellen am meisten studiert und im meisten Zeitschriften veröffentlicht. Ab 1914 erschienen dort nur noch arbeiten aus alliierten oder neutralen Ländern. Im Zuge dessen war eine verstärkte Rezeption der angelsächsischen Doktrin festzustellen.

Die juristischen Zeitschriften berichteten nur noch episodisch über die „Handlungen der feindlichen Mächte“, über diplomatische Abkommen oder innere Normen Deutschlands und seiner Verbündeten, deren Brutalität und Ungerechtigkeit immer wieder betont wurde.

Vor allem : Vorsicht, wer sich auf einen juristischen, theoretischen oder philosophischen Begriff berufen würde, der dem germanischen Denken zugeschrieben wird ! In der Revue du droit public wurde etwa der Toulouser Professor Maurice Hauriou von seinem Pariser Kollegen Henry Berthélemy  beschuldigt, sich der deutschen Theorie der subjektiven Staatssouveränität angeschlossen zu haben. Hauriou, dessen Patriotismus zu Unrecht infrage gestellt wird, erwiderte in derselben Zeitschrift, dass die angeklagte Passage über diese Theorie aus einer alten Auflage seiner Grundsätze des Verwaltungsrechts stammte ; dass diese Passage seither gestrichen wurde, und dass sie im Übrigen nicht eine Übernahme sondern eine Kritik dieser Theorien darstellen.

Die Zeiten, in denen das deutsche Denken  von französischen Intellektuellen und Juristen bewundert – vielleicht sogar ein wenig nachgeeifert wurde – waren vorbei. Wenn es nicht schlicht ignoriert wurde, wurde das deutsche Denken in den französischen juristischen Zeitschriften direkt angegriffen und dekonstruiert. So verfasste der Toulouser Professor Joseph Declareuil in einer gnadenlosen Lektüre von Fichtes Rede an die deutsche Nation, die 1917 in der Revue du droit public erschien, ein echtes Pamphlet gegen Deutschland und seine Intellektuellen im Dienste des deutschen Imperialismus. Der Autor erinnerte daran, dass der Krieg den Franzosen endlich die Augen auf die „deutsche Natur“ und ihre Denker geöffnet hatte : „Die verrückten Träume Deutschlands, seine gewaltigen Ambitionen, den Zuspruch eines ganzen Volkes für wilden Hoffnungen, seine intellektuelle Prahlerei, der enorme und pedantische Stolz, mit dem das Land die Nationen, die seine zukünftigen Untertanen sein sollen, begegnet – all dies sind seit dem Krieg zu den Gemeinplätzen der Fachliteratur geworden. Früher wussten die meisten Franzosen nichts davon oder wollten nichts davon wissen.“ Declareuil schlug einen anderen Blick auf die politische und soziale Geschichte Deutschlands seit Otto und dem Heiligen Reich vor. So versuchte er zu beweisen, dass die deutschen Intellektuellen, die auf der ganzen Welt so zu Unrecht bewundert wurden, das wilde Herrschaftsprojekt Deutschlands mittels ihre korrupten Doktrinen und Theorien immer unterstützt hatten. Während der französische Gelehrte die Wahrheit „außerhalb“ von sich suchte, sie dank „Selbstlosigkeit“ zu erkennen wusste und ihr sogar seine „Vorurteile“, seine „Leidenschaften“ und seine „liebsten Gefühle“ opferte, so war das Declareuil zufolge für den deutschen Denker, dessen Urbild Fichte war, nicht der Fall. Der Deutsche schupf seine Wahrheit aus sich selbst, wie die Spinne die Substanz ihres Netzes. Seine Wünsche, seine Begierden, seine Neigungen bildeten die ganze Nahrung seiner Gedanken, die, wie es Fichte schrieb, das einzige wirkliche Universum sind, denn es gibt nur das Denken. So schuf Deutschland Ideen für seine Bedürfnisse und zu seiner Verteidigung, wie es Kanonen, Zeppeline, Unterseeboote schuf. Seine Philosophen, seine Historiker, seine Denker waren auf ihre Weise wie Thyssen und Krupp, seine Universitäten gleichen die Kanonenstadt Essen.“

Im juristischen Bereich wurde das deutsche Denken ganz auf die Idee reduziert, dass die Kraft das Recht „schafft“, wenn sie sich nicht ganz darüber stellt. Dieses gewaltvolle Prinzip, das zum Begriff des Rechts selbst in Widerspruch stand, wurde der gesamten deutschen Doktrin zugeschrieben, wofür mit dem Beispiel der deutschen Übergriffe in Belgien argumentiert wurde, die in juristischen Zeitschriften weithin angeprangert wurden. Das Verhältnis Deutschlands zum Prinzip des Rechts zeigte sich auch in den zahlreichen Verstößen gegen internationales Recht und internationale Verträge (siehe insbesondere Alexandre Mérignhac, „De la sanction des infractions au droit des gens commises, pendant la guerre européenne, par les empires du centre“ (Über die Sanktionierung von Völkerrechtsverletzungen, die während des europäischen Krieges von den Reichen des Zentrums begangen wurden), Revue générale de droit international public, 1917). Für Declareuil erklärte dieser verhängnisvolle Geist der Deutschen „die Arroganz, das wahnsinnige Vertrauen, die Brutalität, die Wildheit, mit der diese Menschen sich in die Plünderung und Vergewaltigung des Universums gestürzt haben“.

Allmählich entwickelte sich in den Artikeln der juristischen Zeitschriften zwei Welten und Rechtsauffassungen, die schlichtweg miteinander unversöhnlich erschienen : einerseits die Welt des Rechts, der Vernunft und der Zivilisation die durch Frankreich und seine Verbündeten verkörpert war, und andererseits die Welt der Barbarei und der rohen Gewalt, die durch Deutschland und die Vasallenreiche Mitteleuropas materialisiert war. Während die französischen Juristen, als die führenden Persönlichkeiten der zivilisierten Welt durchgehen, die nur nach Frieden, Universalismus und Beachtung der Regeln gestrebt hätten – vor allem des internationalen Rechts –, wurden die deutschen Barbaren ihrerseits nur das „Gesetz des Stärkeren“ verstanden, und ihre Intellektuellen, die allzu lange überschätzt wurden, hätten in Wirklichkeit nur den offensiven und brutalen Interessen ihrer Nation gedient.

Indem sie Geschichte und Recht in ihren Zeitschriften neugestalteten, postulierten die französischen Juristen ihre kulturelle Überlegenheit und beanspruchten ein Leadership der Rechtswissenschaft gegenüber Deutschland, das nicht mehr das attraktive Gegenmodell der Vorkriegszeit war, sondern eine verhasste Nation, die auf die Karikatur des wilden Germaniens reduziert wurde.

Es sollte jedoch klargestellt werden, dass diese „Kampf“-Artikel, die manchmal zu erzwungenem Nationalismus und primärem Anti-Germanismus führten, hauptsächlich in Zeitschriften für öffentliches Recht wie der Zeitschrift für öffentliches Recht und Politikwissenschaft oder der Allgemeinen Zeitschrift für Völkerrecht zu finden waren. Dies erklärte sich nicht speziell durch die Persönlichkeit ihrer Redakteure oder Direktoren (der Pariser Professor Gaston Jèze für erstere Zeitschrift, und der Anwalt Paul Fauchille für die zweite), sondern vielmehr durch den wissenschaftlichen Gegenstand dieser Zeitschriften, die natürlich für politische und diplomatische Studien und Analysen offen waren.

Auf den Seiten der Revue du droit public wurde der Dekan von Bordeaux Roger Bonnard einige Jahre später Juristen und Verwalter dazu aufrufen, ihre axiomatische Neutralität aufzugeben, um sich voll und ganz hinter dem maréchal Pétain und seiner „nationalen Revolution“ zu engagieren.

Im Vergleich dazu hatten Zeitschriften zum Privatrecht einen weniger martialischen Ton, da ihre Redakteure mehr auf technische Studien und Dogmatik fokussierten. Dies hinderte die Autoren nicht daran, regelmäßig daran zu erinnern, wie sehr die „deutsche Aggression“ das rechtliche, wirtschaftliche, soziale und demokratische Gleichgewicht gestört hatte, oder die deutsche wissenschaftliche Arbeit zu boykottieren. Aber das frontale, politische und ideologische Engagement, das in den öffentlich-rechtlichen Zeitschriften zu finden ist, war viel schwächer.

Wenn sie nicht direkt an die Front gerufen wurden, kämpften Juristen in wissenschaftlichen Zeitschriften täglich gegen zwei Feinde : die (juristische) Unordnung und Deutschland. Diese Zeitschriften wurden dann zu führenden Medien für Juristen, die in Kriegszeiten ihre traditionelle Rolle als „Spezialisten des Sozialen“, als Architekten des rechtlichen und politischen Lebens wiederbelebten. In der Tat waren die Autoren überzeugt, täglich daran zu arbeiten, die Ordnung und das soziale, politische und wirtschaftliche Gleichgewicht in einem zutiefst destabilisierten Frankreich aufrechtzuerhalten. Gewiss, diese Ordnung war eine neue, raue, autoritäre, manchmal ungerechte Ordnung ; aber der Rechtsgeist musste in ihr zentral bleiben. Die übertriebene und unermüdliche Karikatur des barbarischen und diskretionären Deutschlands erinnerte auch daran, dass ein militärischer Sieg nur dann Sinn ergab, wenn auch das „Recht“ aus dem Konflikt siegreich hervorging.

Pierre-Nicolas Barenot, Dozent für Rechtsgeschichte (Universität Jean-Monnet – Saint-Étienne)


Literaturangaben

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Deperchin Annie, « Des juristes face à la guerre : point de vue franco-allemand », dans Clio@Themis, no 11, 2016, http://www.cliothemis.com/Clio-Themis-numero-11 (consulté le 04/07/2018).

Dalloz Jurisprudence générale : recueil périodique et critique de jurisprudence, de législation et de doctrine en matière civile, commerciale, criminelle, administrative et de droit public, [1914-1919], Paris, France, Librairie Dalloz (1903-1944).

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