Dieser Artikel beleuchtet die Position einiger Juristen, die während des Ersten Weltkriegs einen antideutschen Diskurs verbreiteten, wobei ihr Hauptargument lautete, dass die Deutschen barbarisch seien. Es soll jedoch nicht behauptet werden, dass dies die Haltung aller Juristen war. Dennoch entfernen sich einige Professoren, Anwälte und Richter in ihren Äußerungen deutlich von einer rein juristischen Analyse, und lassen sich von moralischen Erwägungen leiten. Dies ist allerdings nicht als ein spezifisches Merkmal der Juristen zu verstehen. Im Gegenteil, auch in den Schriften von Historikern, Philosophen und Soziologen jener Zeit findent sich oft die Vorstellung, der deutsche Feind sei wild und grausam. Juristen gehörten jedoch nicht typischerweise zu den sogenannten „engagierten Intellektuellen“, die ihre Feder zugunsten der Kriegsanstrengungen einsetzten. Dennoch überschreiten auch Juristen bisweilen die Grenzen dessen, waspour lire la suite…
Tag: Frankreich
Ruhm und Erinnerungen des Louis Boulards (1877-1914)
Im Sommer 1914 scheint Louis Boulard alles erreicht zu haben, um in jeder Hinsicht glücklich zu sein. Er hat einen erfolgreichen studentischen Werdegang hinter sich. Nach seiner Promotion an der juristischen Fakultät von Paris im Jahr 1902, die mit einem Dissertationspreis ausgezeichnet wird, schreibt er sich in die Anwaltskammer ein, und hält parallel Vorlesungen an der selben Fakultät. 1907 wird er zum stellvertretenden Professor für Rechtsgeschichte in Lille, um André Giffard in Lille zu vertreten, der zu einer Auswärtsmission entsandt wurde. Boulard stellt sich von Anfang an als hervorragender Pädagoge heraus. Dies zeigt die besonders lobende Bewertung des Dekans Pilon – der nicht gerade für seine Nachsicht bekannt ist – anlässlich des Endes des ersten Lehrjahr von Boulard in Lille. Er betont seine Gelehrsamkeit und seinepour lire la suite…
Gustave Chéneaux, „nichts als Gutes über ihn zu sagen“.
Am 29. April 1920 hielt der Dekan Léon Duguit vor einer Versammlung von Studenten und Professoren der juristischen Fakultät von Bordeaux eine Rede, in der er den Tod eines seiner Kollegen, des Professors für Zivilrecht Gustave Chéneaux, würdigte und betrauerte. Die später veröffentlichte Rede ruft beim Leser gemischte Gefühle hervor, da der Wille, das Gemetzel, das dieser Krieg darstellte, zu rechtfertigen, in den Worten des angesehenen Juristen zum Ausdruck kommt. Dennoch sind Duguits Worte von echter Zärtlichkeit und spürbarer Traurigkeit geprägt, wenn er auf die Persönlichkeit des Lehrers eingeht, der am 29. April 1915 in der Nähe von Verdun „an den Feind gefallen“ war. Der Dekan lobt zunächst die Einfachheit des Verstorbenen, seine Hartnäckigkeit und seine Arbeitskraft. Die Erwähnung dieser Charakterzüge, die sowohl bei Soldaten als auch bei Juristenpour lire la suite…
Fakultätsmobilisierungen : der Fall der Rechtsfakultät von Lyon
In einem militärischen Konflikt können die Universitäten dem Staat, von dem sie abhängen, Ressourcen verschiedener Art zur Verfügung stellen. Die erste davon ist menschlicher Natur, das heißt, ihre Studenten sowie ihre militärisch mobilisierten Professoren. In einem solchen Kontext können die Universitäten zusätzlich wissenschaftliche Ressourcen zur Verfügung stellen, deren militärische Anwendungen von entscheidender Bedeutung sein können. Schließlich können sie nicht unerhebliche symbolische Ressourcen bereitstellen. Allein durch die bloße Tatsache, dass sie in widrigen Zeiten fortbesteht, fungiert die Wissensproduktion als Beweis der Stärke des kriegführenden Landes sowie seiner Widerstandsfähigkeit gegen die unvermeidliche Desorganisation, die jeden Konflikt mit sich bringt. Aber diese intellektuelle Produktion kann noch auf eine andere Weise zu den Kriegsanstrengungen beitragen, und zwar indem sie die kriegerische Entschlossenheit der Studenten, die noch nicht mobilisiert sind,pour lire la suite…
Die amerikanische Mission von Professor Geouffre de La Pradelle (1914-1917)
Die Verletzung der Neutralität der belgischen und luxemburgischen Staaten, die von Deutschland in den ersten Augusttagen 1914 begangen wird, hat stark dazu beigetragen, eine Darstellung des Konflikts zu zeigen, in dem Frankreich und seine Verbündeten es leicht hatten, sich als tugendhafte Verteidiger des von der deutschen Barbarei bedrohten Rechts darzustellen. Diese Verletzung hatte aber auch den paradoxen Effekt, die neutralen Länder, die sich als solche eben weigerten, in den Konflikt militärisch einzutreten, in dessen Mittelpunkt zu rücken. Der Status der Neutralität, den die zwei Staaten genießen, ins durch völkerrechtliche Verträge anerkannt und geschützt, die Deutschland selbst ratifiziert hat. Die Missachtung dieser Verträge seitens des Bundeskanzlers Bethmann-Hollweg, der sie als bloße „Papierlappen“ ansah, stellte eine radikale Infragestellung des Völkerrechts – der damals in seinen Anfängen istpour lire la suite…
Alexandre Mérignhac (1857-1927) – eine Stimme des internationalen Friedens
Offizier der Ehrenlegion, Offizier des öffentlichen Lehre, Ritter des landwirtschaftlichen Verdienstes, Kommandeur des Ordens von Isabelle la Catholique, Ritter der italienische Krone ; die Auszeichnungen sind zahlreich, aber der Blick scheint melancholisch. Für denjenigen, der sich vor sein Portrait, aufhält, bietet Alexandre Mérignhac, der heute fast in Vergessenheit geraten ist, ein kontrastreiches Bild, denn seinerzeit sowohl national als auch international geehrt, erlebte er zugleich viele Enttäuschungen in seinem ständigen Kampf, wenn nicht zugunsten einer vollständigen Ausrottung des Krieges, so doch zugunsten seiner Kodifizierung und der Einrichtung internationaler Friedenssicherungsgremien. Der am 21. Januar 1857 in Toulouse geborene Anwaltssohn verteidigt im Alter von 20 Jahren seine Doktorarbeit über das Folgerecht durch Hypothek im römischen und französischen Recht, bevor er seinerseits Rechtsanwalt am Berufungsgericht Toulouse wurde. 1884 erhält er die agrégation (Lehrbefähigung)pour lire la suite…
Louis Renault und die Legitimierung des Völkerrechts in Frankreich
Louis Renault wird 1843 als Sohn eines Buchhändlers geboren. Er studiert Jura in Paris und schließt 1861 sein Studium ab. Er wird Professor für römisches Recht und Handelsrecht an der Universität Dijon (letzteres Gebiet ist auch die Spezialität seines Kollegen Charles Lyon-Caen, der ebenfalls 1843 geboren wurde und mit dem er ein Buch verfasste). Parallel dazu vertritt er Charles Giraud für eine Völkerrechtsvorlesung an der Pariser Fakultät, bevor er schließlich 1888 dessen Nachfolge antritt. Er lehrt auch an der neuen École libre des sciences politiques (Freie Schule für Politikwissenschaft), an der viele französische Internationalisten lehren oder studieren. Ab 1890 wird er Rechtsberater des Außenministeriums und ist Vertreter von Frankreich bei den Haager Friedenskonferenzen von 1899 und 1907. Ab 1882 ist er Mitglied des Instituts fürpour lire la suite…
Charles Le Coq de Kerland Vater und Sohn : Zwei Generationen von Juristen mobilisiert, von der Hörsäle bis in die Lüfte
Die Kriegserklärung am 1. August 1914 löst die allgemeine Mobilmachung aus. Die Zahl der Männer im Alter von 20 bis 38 Jahren, die in die Reihen der Armee aufgenommen werden sollen, beläuft sich auf mehr als 3.800.000. Das Ausmaß des Beitrags der Franzosen zum Konflikt beschränkt sich jedoch nicht auf ihre Eingliederung in die militärische Institution. Tatsächlich mobilisiert sich die gesamte französische Gesellschaft in der sogenannten „Heiligen Union‟. Seit mehr als vier Jahren sind es Mitglieder ganzer Familien, Kämpfer und Zivilisten, die in ihren alltäglichen Aktivitäten von der Hoffnung auf den Sieg geleitet werden. Dies ist zum einen als Reaktion auf Aufforderungen der Regierung zu verstehen, die Kriegspropaganda betreibt, um alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens in den Konflikt einzubinden. Zum anderen entsteht diese Solidarität durch eine gefühltepour lire la suite…
Studentinnen und das studentische Vereinswesen in Bordeaux
Die französischen Universitäten sind für Frauen nach wie vor kaum zugänglich. Die 1441 gegründete Fakultät in Bordeaux, die nach ihrer Schließung 1793 im Jahr 1870 (wieder-)gegründet wurde, ist ein Beispiel für den Mangel an gemischten Studiengängen. Der Fall der Universität Bordeaux im Ersten Weltkrieg ist ein gutes Beispiel, um den Eintritt von Frauen – diesen Pionierinnen – in die französische Hochschulbildung und ihr Engagement als aktive Mitglieder von Studentenvereinigungen zu schildern. In Frankreich waren Emma Chenu und Julie-Victoire Daubié die ersten beiden Studentinnen. Erstere schrieb sich 1867 in den Bachelorstudiengang Naturwissenschaften und Mathematik ein, letztere 1871 in den Bachelorstudiengang Literatur (die erste Französin, die 1861 an der Fakultät in Lyon den Bachelortitel erhielt). In den Rechtswissenschaften ließen sich erst 1884 zwei Frauen (eine Russin und eine Rumänin)pour lire la suite…
Der Fall der amerikanischen Studenten an der juristischen Fakultät von Toulouse
Shoulder arms. Charlie Chaplins Film Shoulder Arms, der am 20. Oktober 1918 in den USA in die Kinos kommt, zeigt Charlot, wie er versucht, eine militärische Ausbildung zu absolvieren. Am Abend schläft er ein. Er findet sich in einem Schützengraben in Frankreich wieder, wo er das Warten und die Untätigkeit seiner Kameraden teilt. Er meldet sich freiwillig zu einem Spionageeinsatz. Er kehrt als Held zurück, der eine junge Französin gerettet und Kaiser Wilhelm II., Generalfeldmarschall Hindenburg und den Kronprinzen gefangen genommen hat. Die Figur des Charlot ist den französischen Soldaten nicht unbekannt, als sein Film am 20. April 1919 in Frankreich in die Kinos kommt (unter dem Titel : „Charlot Soldat“). Der Schweizer Frédéric Louis Sauser alias Blaise Cendrars, der 1915 in Bois de la Vache (Somme) als ausländischer Freiwilliger in der französischenpour lire la suite…