Der Erste Weltkrieg stellte für die juristische Fakultät in Paris einen Wendepunkt dar. Als wichtigste juristische Fakultät in Frankreich musste sie sich schnell mit einer außergewöhnlichen Situation auseinandersetzen, die sie eines Teils ihrer Studenten und Professoren beraubte. Unter dem Impuls des Dekans Ferdinand Larnaude, wurde die Fakultät in den Dienst des französischen Krieges gegen Deutschland gestellt, des intellektuellen Kampfes des Rechts gegen die Kraft, die sowohl Professoren als auch Studenten anzog. Die juristische Fakultät von Paris in den Krieg führen : die Veränderungen der Unterrichte Die Ankündigung der Kriegserklärung im August 1914 überraschte die Fakultät am Ende der Prüfungszeit und erschütterte den Beginn des akademischen Jahres 1914-1915. Die Zahl der Studenten sank während der gesamten Kriegszeit. Mehrere Professoren, die alt genug waren, um mobilisiert zu werden, wurden anpour lire la suite…
Tag: Frankreich
Jules Jacquey (1852-1927) : Kann man dem Besatzer durch das Recht Widerstand leisten ?
Als der Krieg ausbricht neigt sich die Karriere von Jules Jacquey seinem Ende zu. Er war 1885 aufgrund seines Erfolges bei der Aggregation nach Lille berufen worden. Diese Verankerung ist für einen Einheimischen aus einer anderen Region, in diesem Fall der Haute-Saône, eher selten. Zweifellos ist darin der Einfluss seiner Ehe zu sehen, die 1885 in Bergues gefeiert wurde, da die Braut aus einer in Flandern verwurzelten Familie stammt. In diesem Spätsommer 1914, wählen zahlreiche Juristen – Richter, Anwälte und Professoren – den Weg des Exodus, erschreckt von den Gerüchten der Barbarei, die von den aus Belgien kommenden Geflüchteten verbreitet wurden. Im Oktober blieben nur vier der sechzehn Lehrer der juristischen Fakultät in Lille oder kehrten dorthin zurück : Paul Collinet, Charles Mouchet, Louis Vallas und Jules Jacquey. Ihrpour lire la suite…
Überlegungen eines Rechtsprofessors aus Bordeaux zur Meinungsfreiheit : Duguit und die Pressezensur während des Krieges von 1914-1918
Die Propaganda nimmt in der Geschichte des Ersten Weltkriegs aufgrund ihres zugleich totalen und spektakulären Charakters einen besonderen Platz ein. Noch heute gibt es kaum ein Schulbuch, das die Jahre 1914-1918 behandelt, ohne den Ausdruck „bourrage de crâne‟ zu erwähnen, der den einhelligen und allgegenwärtigen Medienton zu Beginn des Konflikts beschreibt, der das Heldentum und die nationalen Stärken hervorhebt und gleichzeitig den deutschen Feind dämonisiert – oder sogar lächerlich macht. Die größte Herausforderung bestand darin, die Bürger von der Richtigkeit und Berechtigung des Krieges zu überzeugen. Die Zensur, die negative und ergänzende Seite der Propaganda, erweist sich ebenso als eine totale Institution. Die Kontrolle der Zensur erstreckt sich auf alle politischen Akteure (Regierungsmitglieder, politische Parteien), auf die gesamte schriftliche Produktion (Presse und Verlagswesen) sowie aufpour lire la suite…
Rechtspropaganda und der Große Krieg : Das Beispiel der Rechts- und Politikwissenschaften von Ferdinand Larnaude (1915)
1915 reist die Weltausstellung vom Alten Kontinent in die Vereinigten Staaten ; es ist keine Premiere, da Philadelphia, Chicago und St. Louis diese Veranstaltung bereits zuvor veranstaltet hatten. Nach dem schrecklichen Erdbeben von 1906 wird die Stadt San Francisco ausgewählt, um die Aussteller aus den vierundzwanzig teilnehmenden Ländern zu empfangen ; zwischen März und Dezember 1915 empfängt sie etwa neunzehn Millionen Besucher. Wie üblich ist die Ausstellung um ein Hauptthema herum aufgebaut. Dieses Mal steht der Panamakanal im Mittelpunkt, der ein Jahr zuvor fertiggestellt und eingeweiht worden war : aus diesem Anlass wird die Ausstellung in „Panama-Pacific“ umbenannt. Der Kanal, dessen gigantische Bauarbeiten 1882 begonnen hatten, ermöglichte eine beispiellose Ausweitung des Seehandels und trug zur starken Entwicklung der amerikanischen Pazifikküste bei. Trotz der Zollstreitigkeiten zwischen Frankreich und denpour lire la suite…
Über die Nutzung des Krieges in der Kontroverse des öffentlichen Rechts
Die doktrinellen Stellungnahmen der Juristen werden direkt durch den Konflikt beeinflusst. Dabei wirkt eine doppelte Lektüre des Rechtsdenkens : zum einen durch den Krieg, der den radikalen Gegensatz zwischen der französischen und der deutschen Rechts- und Staatslehre neu entdeckt und herborhebt, zum anderen wird der Krieg genutzt, um bestimmte Strömungen zu kategorisieren und zu marginalisieren, die manchmal aufgrund einer vermuteten Verwandtschaft mit der deutschen Doktrin diskreditiert werden. In diesem Kontext werden die bestehenden Spaltungen neu interpretiert, indem die Leidenschaften und Emotionen, die durch den Konflikt hervorgerufen werden, genutzt werden. Auf der ersten Ebene wird die Rechtslehre eindeutig im Dienste des nationalen Sieges instrumentalisiert. Auf einer zweiten Ebene hingegen wird der Kriegskontext geschickt genutzt, um entweder eine doktrinäre Opposition zu bestätigen oder eine theoretische, wenn nicht sogar politische Positionierung zu fördern.pour lire la suite…
Die Pariser Rechtsfakultät verurteilt die Verletzung des Völkerrechts durch Deutschland
Zu Beginn des Ersten Weltkriegs prangerten die Professoren der Juristischen Fakultät in Paris die „Verletzung aller Grundsätze“ des Völkerrechts durch die Deutschen an, insbesondere die Verletzung der Neutralität Belgiens, die durch Verträge, die auch Preußen unterzeichnet hatte, garantiert war. Hatte nicht Bundeskanzler Bethmann-Hollweg, „Nachkomme eines der bekanntesten Rechtsprofessoren Deutschlands“ (Moritz Bethmann-Hollweg, einer der Schüler von Savigny), indes gesagt, dass „die Verträge nur Papierlappen sind“ ? An dieses “gottlose Wort” erinnerte der Dekan Larnaude in der Rede vor seinen Kollegen am 7. November 1914 am Vorabend der Wiederaufnahme der Vorlesungen. Dieser vom Patriotismus entflammte Text, der uns aus den Registern der juristischen Fakultät bekannt ist (AJ/16/1799, S. 103-106), ist im Wesentlichen den „Kriegsabläufen unserer barbarischen Feinde“ gewidmet. Ohne näher darauf einzugehen, was er unter der “Invasion der neuen Barbaren”, derpour lire la suite…
Léon Duguit : Die deutsche Wissenschaft und der Erste Weltkrieg
Pierre Marie Nicolas Léon Duguit wurde am 4. Februar 1859 in Libourne in der Gironde geboren. Als hervorragender Student sowohl in der Sekundarstufe als auch an der Universität, erhielt er im Alter von 22 Jahren den Doktortitel. Dank einer Altersbefreiung erlangte er im folgenden Jahr die Agrégation (Lehrbefähigung). Er wurde Professor für Rechtsgeschichte in Caen, bevor er im November 1886 nach Bordeaux zurückkehrte, wo er den Soziologen Émile Durkheim kennenlernte, der sein juristisches Denken stark beeinflusste. Parallel zu seiner Lehrtätigkeit engagierte sich Duguit in der Politik. Er berief sich auf die „solidaristische“ Strömung von Léon Bourgeois, die in Bordeaux von Durkheim vertreten wurde. Nach Duguit hat der Jurist eine soziale Rolle : Er soll den Gesetzgeber auf der Grundlage seiner Kenntnis der sozialen Gesetzmäßigkeiten orientieren. In diesem Sinne trat erpour lire la suite…
Die Wahrnehmung der deutschen Wissenschaft an der Universität von Bordeaux während des Ersten Weltkriegs
Am 8. Dezember 1870 empfing Bordeaux, eine Provinzstadt abseits der Kämpfe zwischen Frankreich und den deutschen Mächten, die Regierungsdelegation für zwei Monate in ihren Mauern. Die große Distanz zu der Front war von Vorteil, sowie die guten Beziehungen zu England, die es Bordeaux ermöglichten, benötigtes Kriegsmaterial zu beschaffen. In dieser Zeit öffnete die juristische Fakultät von Bordeaux – die „große Vergessene‟ der napoleonischen Reichsuniversität – wieder ihre Räumlichkeiten nach fast einem Jahrhundert völligen Leerstands von 1792 bis 1870, obwohl die Anwaltskammer von Bordeaux wiederholt um ihre Wiedereröffnung gebeten hatte. Sie nimmt ihre Aufgaben jedoch erst Mitte 1871, also lange nach dem Abzug der Regierung, wirklich wahr. Der Krieg von 1870 entwickelte sich für Frankreich schnell zu einer schweren Niederlage. Im Gegensatz dazu ging das von Preußen dominierte Zweite Reichpour lire la suite…
Die Reden des Dekans Maurice Hauriou (1914-1919)
Am Samstag, dem 18. Juli 1914, zwanzig Tage nach der Ermordung des Erzherzogs François-Ferdinand, endete an der juristischen Fakultät von Toulouse das akademische Jahr. An diesem Nachmittag wird der Fakultätsrat vom Dekan Maurice Hauriou (1856-1929) geleitet. Innerhalb von dreißig Minuten werden die Kandidaturen für den offenen Lehrstuhl des römischen Rechts sowie die Verteilung der Einnahmen aus den fakultativen Vorträgen diskutiert. Die Fakultätsversammlung trifft sich dann, um die Preise des Jahresend-Wettbewerbs, der freien Kurse und die Maurice-Garrigou-Stiftung zu vergeben. Noch können Studenten und Lehrer ein paar ruhige Tage genießen, bevor sie im Tumult des Krieges mitgerissen werden. Am Mittwoch, den 25. November 1914, ist der europäische Konflikt in den Debatten der Fakultätsorgane spürbar. Die Versammlung behandelt die Fragen der ergänzenden Kurse und der zeitweisen Aufhebung der Einschreibegebühren sowie den Vorschlagpour lire la suite…
Die Reden des Dekans Larnaude
In der Ausgabe des Jahres 1900 der Revue internationale de l’enseignement (RIE – Internationalen Zeitschrift des Hochschullehre) wird eine Rede des Dekans Ernest Glasson (Dekanat 1899-1906) abgedruckt, die anlässlich der Preisverleihung der juristischen Fakultät gehalten wurde. Die Rede thematisiert „die Entwicklung der Lehre an der Pariser Rechtsfakultät im 19. Jahrhundert“ und schließt mit einem Ausblick auf die Perspektiven einer erhofften Zukunft für die Institution : „Möge unsere geschätzte Fakultät ihre Entwicklung fortsetzen, und während dieses zwanzigsten Jahrhunderts, das vielleicht eine Epoche gewaltsamer Kämpfe sein wird, möge sie durch die unerschütterliche Festigkeit ihrer Lehren eine der bevollmächtigsten Vertreterinnen der Rechtswissenschaft gegen den Missbrauch von Gewalt bleiben. Möge Frankreich seine Mission erfüllen, indem es sich vom modernen Geist inspirieren lässt, ohne seine Vergangenheit zu verleugnen, was seine Größe ausmacht ; dass es durchpour lire la suite…