Die französische Rechtsfakultäten auf der Medienbühne der Nachkriegszeit : Ein Wiederaufbau zwischen Rache und Hoffnung


Imprimer


Der Erste Weltkrieg stellte nicht nur die gesamte französische Gesellschaft auf die Probe, sondern auch die Universitäten und insbesondere die juristischen Fakultäten. Diese „kleinen verschiedenen Gesellschaften“, wie Immanuel Kant sie nannte, sind Teil des „wissenschaftlichen Staates“, der die Universität bildte. Sie wurden von einem Konflikt erfasst, der die gesamte Gesellschaft in die Kriegsanstrengungen einband. Die juristischen Fakultäten waren bis dahin einer tief verwurzelten Tradition folgend recht abgeschottet geblieben. Als „Berufsfakultäten‟, ähnlich wie die medizinischen Fakultäten, zogen sie stets eine große Anzahl Studierender an, die sowohl die finanziellen Mittel als auch das Wachstum des Lehrkörpers sicherten. Dieser Zustrom erschwerte jedoch auch die Nutzung der Universitätsgebäude, die in den ersten Jahrzehnten der Dritten Republik neu errichtet worden waren.

Einige Monate nach Beginn der Feindseligkeiten, im November 1914, verdeutlichte der traditionelle feierliche Studienbeginn – eine der wenigen universitären Veranstaltungen, bei der die Öffentlichkeit gemeinsam mit Professoren, Studierenden sowie lokalen und nationalen Prominenten zusammenkam – das Ausmaß der Mobilisierung. Während die Professoren der Pariser Rechtsfakultät, die in der nationalen Presse besonders präsent waren, größtenteils aufgrund ihres Alters von der Einberufung verschont blieben, war dies bei den Professoren in den Provinzen und insbesondere bei den Studierenden anders : Sie wurden in großer Zahl zur Verteidigung des Vaterlandes aufgerufen. Ein Jahrgang der juristischen Fakultät bestand nun aus einer Handvoll untauglicher, jungen Männern, die noch nicht mobilisiert werden konnten, und einigen wenigen Studentinnen.

Trotz der leeren Hörsäle, die gestern noch voll besetzt waren, bemühten sich die im Hinterland verbliebenen Professoren weiterhin, ihren Beitrag zur „Union sacrée‟ zu leisten. Maurice Hauriou, Dekan der juristischen Fakultät in Toulouse, setzte sich das Ziel, die „helleno-lateinische Kultur“ zu verteidigen. Sein Pariser Kollege, Ferdinand Larnaude, erklärte, er wolle „den Sieg gegen die Barbaren“ vorbereiten. Der Krieg, den es zu führen galt, ging somit über einen rein zwischenstaatlichen Konflikt hinaus : Es handelte sich um einen „Krieg des Rechts“. Die Juristen, die nicht an die Front gingen, sahen sich daher einer besonderen Aufgabe gegenüber, die in der Öffentlichkeit unterschiedliche Formen annahm. Zunächst öffneten die juristischen Fakultäten ihre Vorlesungen für die Allgemeinheit, die sich dort von führenden Akademikern über kriegsbezogene Themen informieren konnte. Diese Vorträge verfolgten im Wesentlichen das Ziel, die zahlreichen Verfehlungen aufzuzeigen, für die Deutschland verantwortlich gemacht wurde. So behandelte beispielsweise Louis Renaud, der bekannte „Jurist des Außenministeriums“ und Nobelpreisträger von 1907, in seinen Vorträgen das „Kontinentalkriegsrecht“ und legte deutsche Verstöße gegen dieses Regelwerk offen. Die nicht mobilisierten Studierenden organisierten ihrerseits erste Gedenkfeiern für gefallene Kommilitonen und ältere Studierende. 1916 fand sogar eine Messe zu ihren Ehren statt, an der sowohl öffentliche als auch private Hochschulen teilnahmen.

Die Beteiligung der juristischen Fakultäten an den Kriegsanstrengungen beschränkte sich jedoch nicht nur darauf, das akademische Umfeld an die außergewöhnlichen Bedingungen der Zeit anzupassen. Die Fakultäten waren unmittelbar vom Kriegsgeschehen betroffen, was der Zeitungsleser in den Rubriken über die „Gefallenen für Frankreich“, die den Mitarbeitern des Ministeriums für öffentliche Bildung gewidmet waren, nachvollziehen konnte. Die Professoren, die im Hinterland blieben, arbeiteten zudem an der Entwicklung neuer rechtlicher Mechanismen, um die beispiellose Lage zu bewältigen. So gründeten sie das Comité national d’action pour la réparation intégrale des dommages causés par la guerre (Nationales Aktionskomitee für die vollständige Wiedergutmachung von Kriegsschäden), das während des Konflikts zu ihrem wichtigsten Reflexionsraum wurde. Angesichts der schrecklichen Zerstörungen, die der Krieg verursachte, und gestützt auf ein Ende 1914 verabschiedetes Gesetz, das die Schaffung von Entschädigungsmechanismen vorsah, wollten sie mit ihrer Fachkompetenz zur nationalen Willensbildung beitragen. Indem sie Regeln erarbeiteten, nach denen Privatpersonen und Gewerbetreibende beim Staat Entschädigung beantragen konnten, schienen sie, im Gegensatz zu ihren Kollegen anderer Disziplinen, nicht nur die Tugenden einer demokratischen Gesellschaft gegen die Barbarei zu propagieren, sondern auch den seit der Niederlage von 1870 latent vorhandenen Antigermanismus zu stärken. Bis zum Ende der Feindseligkeiten blieb die Frage der Kriegsschadenentschädigung das Schaufenster für die Beteiligung der Universitätsjuristen an der kollektiven Mobilisierung. Sie ermöglichte es ihnen sogar, eine Sonderstellung in der akademischen Welt einzunehmen und ihr lang angestrebtes Image als ideologisch und politisch unabhängige Experten zu festigen.

Der Frieden, der sich nach der Unterzeichnung des Waffenstillstands von Rethondes am 11. November 1918 abzuzeichnen begann, schien die juristischen Fakultäten erneut, wenn nicht sogar noch stärker, in Anspruch zu nehmen. Das Völkerrecht sollte nun als Werkzeug für einen dauerhaften Frieden fungieren. Auf den „Krieg des Rechts“ folgt nun der „Frieden durch das Recht“. Der Wiederaufbau der juristischen Fakultäten gestaltete sich jedoch schwierig. Zwei Welten, die während des Krieges getrennt waren, mussten wieder vereint werden : diejenigen, die in der Masse der an die Front gezogenen Kämpfer aufgegangen waren, und jene, die im Hinterland an der intellektuellen Mobilisierung teilgenommen hatten. Für Letztere brachte diese Wiedervereinigung eine Reihe konkreter Probleme mit sich. Wenn es um ideologische Fragen ging, wie das Betonen der Unschuld Frankreichs am Ausbruch der Feindseligkeiten, oder um technische Aspekte, wie das Festlegen der Grundlagen für die Entschädigung materieller Schäden stützten sich die Professoren im Wesentlichen auf theoretische Konstruktionen. Das tatsächliche Ausmaß der Zerstörung und vor allem die Rückkehr der Soldaten ins Zivilleben lösten jedoch in der gesamten französischen Gesellschaft einen Schock aus, der sich besonders in den juristischen Fakultäten bemerkbar machte. Die vier Kriegsjahre hatten die Fakultäten stark getroffen. Es dauerte fast zehn Jahre, bis die Studierendenzahl wieder das Niveau von vor 1914 erreichten. All dies, zusammen mit der Freude über den Sieg und den wiedergefundenen Frieden, führte zu einer eigentümlichen Atmosphäre, die das Fundament für den Wiederaufbau bildete.

Nach dem Ersten Weltkrieg waren die juristischen Fakultäten also hin- und hergerissen zwischen der Erinnerung an die Opfer und der Pflicht, die tiefgreifenden Erfahrungen und Konsequenzen eines besonders verlustreichen Krieg zu überwinden. Diese Spannung war in der gesamten französischen Gesellschaft spürbar. Im Hinblick auf die zweite Herausforderung mussten die juristischen Fakultäten jedoch ihre Anstrengungen verdoppeln, da sie als Verwahrer des internationalen Rechts galten, welches als Schlüssel zum Frieden tangesehen wird. Tatsächlich zeigten die juristischen Fakultäten während des Kriegs zwei Gesichter : das eine ideologisch und mobilisierend, das andere wissenschaftlich und pragmatisch geprägt. Sie erscheinen somit als eindeutig ambivalente Akteure. Sie verkündeten den Sieg über den deutschen Feind und schürten den Geist der Rache, während sie gleichzeitig, im Rahmen des Aufbaus eines dauerhaften Friedens, versuchten, vergangene Streitigkeiten zu überwinden.

Von Straßburg nach Versailles : Den Sieg feiern

Seit Beginn der Dritten Republik schwebte das Gespenst der Niederlage gegen Preußen in der Erinnerung an die verlorenen Gebiete Elsass und Lothringen. Auch die akademische Welt war von der Beschneidung ihrer Straßburger Fakultäten betroffen. Im Januar 1919 berichteten die nationalen Tageszeitungen voller Stolz, dass die französische Flagge wieder über der elsässischen Universität wehte. Die deutschen Professoren wurden kurzerhand entlassen. Die Rückkehr der französischen Universität nach über vierzig Jahren Abwesenheit wurde zunächst überstürzt vollzogen, doch der feierliche Studienbeginn im folgenden Jahr versprach, prunkvoll zu werden. Neben dem Staatspräsidenten Raymond Poincaré nahmen auch die Académie française in Gestalt des Philosophen Henri Bergson und der als „Sieger von Verdun“ gefeierte Philippe Pétain an der Feier teil. Nichts wurde dem Zufall überlassen, um die Rückkehr dieser „Festung des Pangermanismus“ in den französischen Schoß zu markieren.

Die Delegierten der Straßburger Studenten wurden bereits im Juni 1919 im Élysée-Palast empfangen. Sie besuchten das Schloss von Versailles, wo knapp zwei Wochen später der Friedensvertrag mit Deutschland unterzeichnet werden sollte. Ferdinand Larnaude, der Dekan der Pariser Fakultät, nahm als Teil der französischen Delegation an der Konferenz teil. Er war an der Abfassung eines Memorandums beteiligt, das die Regierung in Auftrag gegeben hatte, um die Verantwortung des Kaisers für den Kriegsausbruch zu klären. Darin brachte er auch die Idee eines Sondergerichts ein, das jedoch nie zustande kam.

Die Friedenskonferenz barg jedoch eine größere Herausforderung : die Festlegung der Höhe der von Deutschland und seinen Verbündeten zu zahlenden Entschädigungen. Tatsächlich handelt es sich hierbei um die Gegenleistung für die im April 1919 verabschiedete „Charta der Geschädigten“, die das berühmte Entschädigungsverfahren einführte, mit dem sich Rechtsprofessoren seit über vier Jahren beschäftigten. Obwohl sich die Diskussionen lange Zeit auf die zu verabschiedenden Regeln konzentrierten, um die geschädigten Bürger auf die gerechteste Weise zu entschädigen, bestand die Gegenleistung für die Entschädigung immer in der Zahlung eines hohen Tributs durch den Feind. Die Friedenskonferenz machte deutlich, dass sich die Rechtsgelehrten nicht nur für eine vollständige Entschädigung eingesetzt haben. Ihr Ansatz zielte auch darauf ab, die Bewertung der Zerstörungen zu maximieren, um Deutschland die schwersten finanziellen Sanktionen aufzuerlegen.

Gegen den Widerstand Frankreichs wurde im Versailler Vertrag die gemeinsame Verantwortung Deutschlands und seiner Verbündeten festgeschrieben. In Artikel 231 wurde die Gesamtsumme der Entschädigungszahlungen auf 132 Milliarden Goldmark festgelegt. Von dieser Summe sollten nur 52 Milliarden sofort gezahlt werden. Dieser Aufschub der Schulden sollte es den Gläubigern ermöglichen, zu einem späteren Zeitpunkt eine Revision zu beantragen. Frankreich legte jedoch stets großen Wert darauf, das Motto des damaligen Finanzministers Louis-Lucien Klotz zu befolgen : „Deutschland wird zahlen“. Die Rechtsprofessoren taten es der Regierung gleich, indem sie erfolglos den normativen Wert des Versailler Vertrags betonten und bei jeder neuen Revisionsmöglichkeit – 1924 durch den Dawes-Plan und 1931 durch den Young-Plan – die deutsche Bösgläubigkeit anprangerten.

Die Haltung der Rechtsprofessoren am Tag nach dem Sieg war zumindest verwirrend. Unter den Intellektuellen, die sich an den Kriegsanstrengungen beteiligten, zeichneten sie sich durch eine ausgeprägte Distanz zur Kriegsbegeisterung aus. Ihre öffentlichen Vorlesungen, die eindeutig ideologisch ausgerichtet waren, wurden ab 1916, als die Kriegsmüdigkeit im ganzen Land zunahm, seltener gehalten. Während sich andere Intellektuelle rasch von ihren früheren vereinfachten Kriegsansichten abwandten, schien die plötzliche Zustimmung der führenden Juristen zu einem Sieg, bei dem die Gewinner die Verlierer vernichteten, wie eine klare Wende. Diese Wende war jedoch Teil eines starken Trends, der von der Regierung initiiert wurde. So beklagte sie beispielsweise, dass die Hommage an die Gefallenen der Pariser Rechtsfakultät von Studenten der Action française vereinnahmt wurde, die die Feindschaft zwischen den europäischen Völkern schüren wollten.

Die Gründe für diese Entwicklung sind zweifellos vielfältig. Das Wiederaufleben des Antigermanismus unter den Rechtsgelehrten könnte damit zusammenhängen, dass sie sich nach der Rückkehr der in den Krieg gezogenen Studenten und Kollegen, der Schrecken des Krieges bewusst wurden. Auch wenn viele dieser Männer mittleren Alters den Krieg in den Schützengräben nicht direkt miterlebt hatten, verloren viele von ihnen mindestens einen Sohn. Der Wunsch, die politische Macht zu beeinflussen, scheint daher eine plausible Erklärung für ihr Verhalten zu sein. Während des Kriegs hofften sie, endlich einen Beitrag zum Gesetzgebungsprozess leisten zu können. Ihr Rat wurde jedoch nur unzureichend gehört, und die berühmte „Charta der Betroffenen“ erwies sich als großer Misserfolg. Trotz dieser Enttäuschung gaben sie die Hoffnung nicht auf, eines Tages die Regierungen unterstützen zu können. Sie zogen es vor, loyal zu sein, anstatt unparteilich zu bleiben, um nicht erneut ins Abseits gedrängt zu werden. Die Haltung der Rechtsprofessoren war jedoch uneinheitlich. Viele Professoren, die sich in die öffentliche Debatte einmischten, zeigten auch eine andere Seite, die einen dauerhaften Frieden eher befürwortete.

Von den USA nach Den Haag : Aufbau eines dauerhaften Friedens

Die juristischen Fakultäten waren lange Zeit vor allem damit beschäftigt, den sozialen Körper der Juristen zu reproduzieren, und fungierten überwiegend als Prüfungsmaschinen. In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts erlebten sie jedoch eine wahre Renaissance, da neue Professoren zunehmend der Forschung nachgingen. Unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg begannen sie sogar, Kontakte zu ausländischen Universitäten aufzubauen. Leider wurde dieser Fortschritt durch den Krieg abrupt gestoppt. Jegliche Kommunikation mit Universitäten in feindlichen Ländern wurde selbstverständlich eingestellt, und auch die Beziehungen zu Einrichtungen in befreundeten oder neutralen Ländern wurden auf ein Minimum reduziert.

Erst als die USA im April 1917 in den Krieg eintraten, begannen die französischen Universitäten, ihre internationalen Beziehungen wieder aufzunehmen. Einige Tage später gab der Minister für öffentliche Bildung, Theodore Steeg, der New York Times und der Chicago Daily News ein Interview, in welchem er amerikanische Studenten dazu aufforderte, an der französischen Universität „die saubere Wissenschaft“ zu studieren. Er wollte die französische Universität zum neuen Studienort für junge Amerikaner machen, die zuvor eher die deutschen Universitäten besucht hatten. Die Unterzeichnung des Waffenstillstands bot die erste Gelegenheit, diesem Bestreben nachzugehen. Die alliierten Soldaten an der Front mussten auf die Ratifizierung des Versailler Vertrags warten, um demobilisiert zu werden. Auf Bitten der beiden amerikanischen Soldatenverbände, der American University Union (AUU) und der Young Men Christian Association (YMCA), erlaubte General Pershing, der für die in Europa landenden amerikanischen Streitkräfte zuständig war, Männern, die ihr Studium abgebrochen hatten, um sich der amerikanischen Armee anzuschließen, bis zum Ende ihrer Einberufung an der französischen Universität zu studieren.

Trotz der Untätigkeit der politischen Behörden, deren Erklärungen keine Wirkung zeigten, organisierten sich die französischen Universitäten, um die Soldaten aus Übersee aufzunehmen. Im Februar 1919 wurden in Montpellier 1.000 Studentensoldaten aufgenommen. Insgesamt kamen 6.000 Männer in 14 Universitätsstädte, wo die Presse die Einwohner aufforderte, ihre Türen für diese untypischen Studenten zu öffnen. Doch die Exotik der Sprache, des Jazz und der dunklen Hautfarbe einiger Marines verblasst angesichts der Ungerechtigkeit, die die französischen Soldaten erleiden mussten. Diese durften nicht in ihre Hörsäle zurückkehren, während die Amerikaner dort Zuflucht fanden und die Briten sich den Universitäten ihrer Heimatländer anschlossen. Die Ankunft amerikanischer Studenten an den französischen Fakultäten löste daher eine nur kurzlebige Begeisterung aus. Auch wenn die transnationalen Beziehungen zwischen den Universitäten bis zum Ende der Dritten Republik nur noch im akademischen Rahmen behandelt wurden, war dieses Ereignis doch ein Symbol für den Willen der Universität, nationale Gegensätze zu überwinden.

Das Engagement der Rechtsprofessoren für einen erfolgreichen Wiederaufbau wurde besonders deutlich durch ihre Investition in den Internationalen Völkerbund. Dieser wurde durch den Vertrag von Versailles eingeführt und ließ eine Bewegung wieder aufleben, die sich zu Beginn des Jahrhunderts intensiviert hatte : die Bewegung des „Friedens durch Recht“, die sich zum Ziel gesetzt hatte, das Völkerrecht als Grundlage für einen dauerhaften Frieden zwischen den Völkern zu verwenden. Während die Gewalttaten des Krieges den Pazifismus in seinen verschiedenen Formen in der Gesellschaft anstiegen ließen, stellte dieser Trend zugleich eine liberale Ausprägung des Pazifismus dar. Andererseits ist diese Haltung nicht völlig unvereinbar mit dem revanchistischen Geist, der nach 1918 grassierte. Die Internationale Juristische Union (IJU), ein Zusammenschluss von Akademikern und Politikern, der die Entwicklungen im Rahmen des Völkerbundes begleiten wollte, vereinte beispielsweise ausschließlich Persönlichkeiten aus den Ländern der Entente. Die IJU belebte das Institut de droit international [Institut für internationales Recht] an der Pariser Rechtsfakultät wieder, welches nun Beamte aller Länder im internationalen Recht ausbildete, um den Frieden zwischen den Völkern zu sichern.

Die Vision des Völkerrechts, die Frankreich im Völkerbund vertrat, wurde von den Vorstellungen der Politiker bestimmt. Die Regierung wählte bei der Ernennung ihrer Delegierten für die Versammlungen Persönlichkeiten aus, die mit ihrer Linie übereinstimmten. Die Machtübernahme durch das Linkskartell verschaffte den optimistischeren Internationalisten einen Vorteil. So beispielweise René Cassin, ein Professor aus Lille und Präsident der Union fédérale des anciens combattants (Ufac), der die Conférence internationale des associations de mutilés de guerre et anciens combattants [Internationale Konferenz der Vereinigungen von Kriegsbeschädigten und Kriegsveteranen] (Cimiac) ins Leben rief, welche sich für die Annäherung ehemaliger Soldaten des Ersten Weltkriegs über nationale Grenzen hinweg einsetzte.

Trotz des Engagements einiger ihrer Lehrer für das internationalistische Projekt des Völkerbundes, scheinen sich die Rechtsfakultäten zunehmend von diesem zu entfernen. Die Pariser Rechtsfakultät, die in der nationalen Presse im Vordergrund stand, war von Konflikten zwischen Studenten geprägt, die mit der Action française sympathisierten und in der Association générale des étudiants de Paris (Agep) die Mehrheit bildeten, sowie von solchen der Ligue d’action universitaire républicaine et socialiste (LAURS). Erstere lösten 1936 gewalttätige Proteste aus, als Gaston Jèze, ein angesehener Professor für öffentliches Recht, im Konflikt zwischen dem äthiopischen Kaiser Haile Selassie und dem Italien unter Mussolini zum Berater des Völkerbundes wurde. Der Völkerbund befand sich seit den 1930er Jahren in einer Phase der Agonie. Er war nicht in der Lage, dem Aufstieg der extremen Rechten in Europa entgegenzutreten und erwies sich als machtlos bei der Befriedung zahlreicher internationaler Konflikte. Schließlich wurde er, ebenso wie das Projekt „Frieden durch Recht“, durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs vernichtet.

Es geht hierbei nicht darum, die Effektivität der juristischen Fakultäten im Wiederaufbauprozess zu bewerten. Tatsächlich war ihr Einfluss auf diesen Prozess sehr gering. Wie bereits erwähnt, war die Aufgeschlossenheit der politischen Entscheidungsträger gegenüber der Rechtstheorie begrenzt. Dies lag mit Sicherheit an der Komplexität der rechtlichen Konzepte, aber auch am Verständnis des nationalen Willens, der das Gesetz als Ausdruck der Volksvertreter betrachtete. Dieses unvollständige Bild der juristischen Fakultäten verdeutlichte jedoch die tatsächliche Komplexität des Begriffs „Wiederaufbau“, wie er in der Gesellschaft der Zwischenkriegszeit verstanden wurde. Hier trafen Theorie und Emotionen aufeinander und erzeugten widersprüchliche Kräfte, die sogar lähmend wirken konnten.

Kevin Brémond, Doktor der Rechtsgeschichte (Universität Bordeaux)


Literatur

Barrera Caroline, « Les étudiants-soldats américains en France au sortir de la Première Guerre mondiale », dans Histoire de l’éducation, no 125, 2010, p. 27‑48.

Guieu Jean-Michel, Le rameau et le glaive : les militants français pour la Société des Nations, Paris, France, Presses de Sciences Po, 2008.

Milet Marc, La faculté de droit de Paris face à la vie sociale et politique, de l’affaire Scelle à l’affaire Jèze, 1925-1936, soutenue à l’Université Panthéon-Assas, 1995, 219 p. (dactyl.).

Pauthier Céline, « ‘Nous ne formons qu’une avant-garde’. La refondation d’une faculté de droit française à Strasbourg en 1919 : des professeurs en terre de mission », dans Jean-Christophe Gaven, Frédéric Audren (dir.), Les facultés de droit de province au xixe et xxe siècles. Tome 3, Les conquêtes universitaires, Toulouse, France, Presses de l’université Toulouse-1-Capitole, 2011, p. 139‑161.

Soutou Georges-Henri, La grande illusion : quand la France perdait la paix, 1914-1920, Paris, France, Tallandier, 2015.