Die Nachkriegszeit an der juristischen Fakultät von Lyon : der Frieden durch das Recht fördern


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Bereits vor der Unterzeichnung des Waffenstillstands mit Deutschland ist die Universität von Lyon voll und ganz in diese Bewegung eingetreten, die von Bemühungen seitens der Zivilgesellschaft geprägt ist, um die vor allem militärischen Beziehungen zwischen den alliierten Nationen in einen tiefen und fruchtbaren kulturellen Austausch umzuwandeln. Zu diesem Zeitpunkt sind die Alliierten bestrebt, ihr Bündnis zu erneuern und zu verstärken, was sich durch ein Interesse an der Kultur der gestrigen militärischen Bündnispartner ausdrückt. Kurz gesagt, man wünscht sich, dass die vorübergehende Waffenbruderschaft zu einer Freundschaft zwischen den Ländern entwickelt, die jedoch nur dann Bestand haben kann, wenn sich jede Seite bemüht, den anderen besser kennenzulernen. Der Impuls dafür kommt noch vor Kriegsende von amerikanischen Akademikern der American University Union (AUU). Unter anderem wird dadurch die vorübergehende Aufnahme von demobilisierten amerikanischen Studenten-Soldaten an französischen Universitäten ermöglicht, bis diese in die USA zurückkehren können. Nachdem die AUU bereits im Dezember 1917 die grundsätzliche Zustimmung des US-Generals Pershing erhalten hatte, hatte sie sich mit dem Nationalen Büro der französischen Universitäten und Schulen in Verbindung gesetzt, um die Bedingungen dieser vorübergehenden Aufnahme zu erörtern.

Die Universität Lyon, die im Juni 1918 aufgefordert wird, Maßnahmen in diesem Sinne zu ergreifen, begrüßt diese Entwicklung, obwohl sie befürchtet, ihre amerikanischen Gäste nicht leicht unterbringen zu können. Wie alle anderen Universitäten Frankreichs war sie seit dem Ende des 19. Jahrhunderts darin interessiert, die Ausstrahlung der deutschen Universitäten zu schwächen. In diesem Kontext wird die Aussicht, diese amerikanische Studentenkundschaft, die bis 1914 vor allem in Richtung Berlin schaut, für französische Universitäten zu gewinnen, als intellektueller Sieg wahrgenommen. Gleichzeitig ist sie von der Entwicklung ihrer eigenen internationalen Ausstrahlung besessen, was sich u.a. 1918 durch die Publikation eines Propagandabuchs ausdrückt, das vom Professor der Philosophischen Fakultät Auguste Ehrhard verfasst wird. Diese Ankunft amerikanischer Studenten-Soldaten ist daher eine goldene Gelegenheit, sich auf der anderen Seite des Atlantiks bekannter zu machen.

Die amerikanischen Studenten-Soldaten, die im Frühjahr nach Lyon kommen und herzlich empfangen werden, sind viel weniger als erwartet (430 anstatt der ursprünglich angekündigten tausend) Die juristische Fakultät empfängt circa hundert amerikanische Studenten, für die sie ein vierteljährliches Programm von Sonderkursen konzipiert hat, von denen einige in englischer Sprache stattfinden : Kriminologie (J.R. Garraud), Einführung in das Studium des Rechts (Edouard Lambert), Politische Ökonomie (René Gonnard), Internationales Handelsrecht (Maurice Picard), Geschichte der Verträge (M. De Saint Charles). Was die juristische Fakultät von Lyon jedoch auszeichnet, ist, dass sie über diesen kurzen Moment der Begegnung mit der amerikanischen Jugend hinausgeht. Weit davon entfernt, ein flüchtiger Impuls zu sein, der nach der Wiedereingliederung der amerikanischen Studenten-Soldaten schnell wieder verfliegt, wird die Überzeugung, dass das während des Krieges mit der angelsächsischen Welt geschlossene Bündnis fortgeführt und verstärkt werden soll, u.a. durch ihre Institutionalisierung, für die gesamte Dauer der Zwischenkriegszeit zu einer der Treibkräfte des wissenschaftlichen Handelns der Lyoner Fakultät. Symbolisch dafür sind die Entscheidungen der Fakultät, was die Erteilung der Ehrendoktorwürde betrifft, die zu der Zeit maßgeblich von dieser Politik bestimmt sind. Unter anderem werden die englischen Professoren Lee, Gutteridge, Buckland und ihre amerikanischen Kollegen Garner, Brown-Scott und Wigmore ausgezeichnet. In einem viel institutionelleren und dauerhafteren Register ermöglicht diese Überzeugung die Verwirklichung eines bereits alten Bestrebens von Professor Edouard Lambert : die Schaffung des ersten französischen Instituts für vergleichende Rechtswissenschaft, das noch heute seinen Namen trägt, und die Einrichtung eines Lehrstuhls für das Studium der internationalen Institutionen der Friedensorganisation, der dazu bestimmt ist, den „ Geist der Genfer Konvention “ zu fördern.

Die Geburt des Instituts für vergleichende Rechtswissenschaft

Während des gesamten Konflikts bleibt Edouard Lambert offensichtlich in einer zurückhaltenden Haltung : Er bewahrte ein völliges Schweigen, das im Gegensatz zu den sehr engagierten patriotischen Äußerungen der Mehrheit seiner Kollegen aus Lyon stand. Der Große Krieg war freilich für diesen Professor, der darin Verwandte verlieren musste, eine sehr schmerzhafte Erfahrung (seinen ältesten Sohn, der im Juni 1918 vermisst wurde, und einen Neffen, an den er väterlich gebunden war, der im März 1916 getötet worden war). Aber alles deutet darauf hin, dass der Konflikt ihn mehr denn je in einem seit langem eingeleiteten Ansatz bestärkt : die Förderung des Studiums und der Lehre des Rechtsvergleichs. Tatsächlich hatte der Rechtshistoriker bereits seit fast zwanzig Jahren Interesse an dieser Disziplin entwickelt, die sich damals in ihren Anfängen befand. Im Jahr 1900, anlässlich des großen internationalen Kongresses für Rechtsvergleich, der am Rande der Weltausstellung in Paris stattfand, trägt er einen bemerkenswerten Bericht über die allgemeine Theorie dieser aufkeimenden Disziplin sowie über seine Methode vor. Einige Jahre später versteht er es, die Gelegenheit zu ergreifen, die die Verlängerungen seines Rücktritts vom Amt der Khedivischen Schule von Kairo schließlich darstellen. Für die jungen ägyptischen Nationalisten, die zahlreich nach Lyon kamen, um die Lehre eines Meisters zu erhalten, der seine Sympathie für ihre Sache bekundet hatte, hatte Lambert 1908 das Seminar für orientalische Studien ins Leben gerufen ; sowohl durch seine innovativen pädagogischen Methoden als auch durch seine wissenschaftlichen Interessen deutete es bereits das Institut für Rechtsvergleichung an, dessen Nachkriegsklima die volle Entfaltung ermöglichen würde.

Im Vergleichsrecht sah Édouard Lambert bereits 1900, eines der bevorzugten Instrumente der Völkerverständigung. Er wird dies bis zu seinem letzten Atemzug im Jahr 1947 verteidigen. Die Erforschung ausländischer Rechtssysteme war bereits eine Möglichkeit, einander besser kennenzulernen. Aber Edouard Lambert hörte hier nicht auf. Er wies dem vergleichenden Recht den humanistischen und universalistischen Auftrag zu, die technischen Differenzen der einzelnen Rechtssysteme zu überwinden, um den Bestand gemeinsamer Regeln der verschiedenen Nationen hervorzuheben. Die Betonung dessen, was uns näher bringt, mehr als das, was uns trennt, bedeutete auch, den Weg für die Bildung internationaler Solidarität zu ebnen, und womöglich auch, auf lange Sicht, die Voraussetzungen für eine internationale Harmonisierung des Rechts zu schaffen, das seinem Wesen nach Frieden bringt. Nach dem Waffenstillstand von 1918 wollte Edouard Lambert zunächst eine Brücke zu den Rechtssystemen der ehemaligen Verbündeten schlagen, die zwar italienisch, aber vor allem englisch und amerikanisch waren. Er hatte dies ausführlich in einem umfangreichen Dokument mit dem Titel Die Lehre des vergleichenden Rechts und dessen Beitrag zur Analyse der französischen, britischen und amerikanischen Rechtsprechung erklärt. Dieser Bericht, der im Namen einer Kommission verfasst wurde, die neben Edouard Lambert auch Paul Huvelin, Jean Appleton und Emmanuel Lévy umfasste, wurde dem Fakultätsrat vorgelegt. Es ist ein echter programmatischer Artikel, und als solcher wurde er in den Annalen der Universität von Lyon veröffentlicht, bevor er Gegenstand einer separaten Broschüre wurde.

Um seine lokalen und nationalen Gesprächspartner besser von der Notwendigkeit dieser Gründung zu überzeugen, argumentiert Lambert, dass die internationale Attraktivität, nach der die französischen Rechtsfakultäten insgesamt streben, eine Erweiterung der juristischen Lehrpläne voraussetze. In dieser sich abzeichnenden Welt des verstärkten Austauschs können sie nicht mehr von einem zu engen und viel zu austrocknenden nationalen Prisma aus betrachtet werden, insbesondere für die amerikanische Jugend, die eine globale Vision des Rechts des alten Kontinents sucht. Im Übrigen weist er darauf hin, dass die deutschen Universitätsjuristen vor dem Krieg diese Notwendigkeit, das Recht viel breiter zu denken, sehr wohl begriffen hätten und dass dies der Schlüssel zum Verständnis der Anziehungskraft sei, die die deutschen Universitäten früher jenseits des Atlantiks ausüben konnten. Mit Bezugnahme auf das junge Bundesgesetzbuch gelingt es den deutschen Professoren, nach Ansicht des Autors zu Unrecht, die deutsche Rechtswissenschaft als die Quintessenz des europäischen Rechts und dessen modernster Ausdruck darzustellen. Edouard Lambert spielt auch die Karte des Prosaismus, indem er argumentiert, dass ein Standort des internationalen Handels wie die Stadt Lyon eine juristische Fakultät braucht, die die Notwendigkeit versteht, junge Juristen auszubilden, die mit den ausländischen Rechtsvorschriften vertraut sind. Aber das Hauptziel bleibt, dem künftigen Völkerbund die Grundzüge eines echten gemeinsamen Rechts zu geben. Dieser kann sich erst nach einer hartnäckigen Vergleichsarbeit zwischen diesen beiden großen Rechtswerken, die sich aus dem Common Law und dem kontinentalen Recht zusammensetzen, dessen Matrix nach Lambert das französische Recht und nicht das deutsche Recht war.

Das Projekt, das von seinen Kollegen der Fakultät mit Begeisterung unterstützt wird, genießt noch zwei wertvolle Unterstützungen : von Alfred Coville, ehemaliger Professor der Lyoner Fakultät für Geisteswissenschaften, der inzwischen Direktor der Hochschulbildung wurde, und vom Abgeordneten des Département Rhone und Bürgermeister von Lyon, Édouard Herriot. Die Unterstützung Herriots ist umso wertvoller, als sie es ermöglicht die Forderungen der Lyoner Fakultät an die nationalen Behörden weiterzugeben. Herriot ergreift 1921 den Hebel, den seine Funktion als Berichterstatter für den Erziehungshaushalt darstellt, um den Träumen und Bemühungen von Edouard Lambert endlich einen Anfang der Konkretisierung zu geben. Man ist zwar noch von den drei Lehrstühlen weit entfernt – vergleichende Geschichte, vergleichendes Zivilrecht und vergleichendes Handelsrecht –, die im Idealfall die Erwartungen des Professors erfüllt hätten. Aber das Institut für vergleichende Rechtswissenschaft wird per Erlass vom 9. August 1921 gegründet und zwei Wochen später durch die Schaffung eines Lehrstuhls für Rechtsvergleich konsolidiert, auf dem Edouard Lambert schnell ernannt wird, der diesen bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1936 innehat.

Das Schwierigste bleibt noch zu tun, denn das wonach der Lyoner Professor strebt, ist nicht ein bloßes Institut für Gesetzgebungsvergleich sondern vielmehr ein Institut für vergleichende Rechtswissenschaft, d.h. der grundsätzlichere Vergleich von Rechtssystemen. Die Bezeichnung hat seine Bedeutung und sagt etwas über die Ambitionen seines Gründers aus. Wie viele seiner Lyoner Kollegen ist Edouard Lambert davon überzeugt, dass das wahre Leben des Rechts, unabhängig von seiner nationalen Verankerung und unabhängig davon, welchen mehr oder weniger großen Anteil die Gesetzgebung je nach Tradition hat, nicht in der Gesetzgebung sondern vielmehr in der Rechtsprechung liegt. Diese wurde von den einen wie von den anderen gern als lebendiges Recht bezeichnet. Daher erklärt das neugegründete Institut, sich als erstes der Gegenüberstellung der französischen und amerikanischen Rechtsprechung widmen zu wollen. Das ehrgeizige intellektuelle Ziel, das Édouard Lambert seinem jungen Institut zuweist, läuft jedoch Gefahr, ein leeres Versprechen zu bleiben, wenn man nicht rasch eine Bibliothek aufbaut, die sowohl den Studenten als auch den Lehrern, mit denen er sich umgeben will, Zugang zu diesem damals weitgehend unbekannten Kontinent der amerikanischen Rechtsprechung verschaffen kann. Davon ist er selbst überzeugt, als er erklärt, die Bibliothek sei für die Rechts- und geisteswissenschaftlichen Fakultäten das, was das Krankenhaus für die medizinischen Fakultäten oder das Labor für die naturwissenschaftlichen Fakultäten ist. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass hier von Null angefangen wird. Da man sich bisher nur wenig damit beschäftigt hatte, was abgesehen von Deutschland im übrigen Ausland veröffentlicht wurde, gab es in den lokalen Beständen nicht den kleinsten Ansatz einer Sammlung an englischer oder amerikanischer Fachliteratur. Und es war offensichtlich, dass weder die Universitätsbibliothek noch die juristische Fakultät nach dem Krieg über die großen finanziellen Mittel verfügten, die die Bildung kostspieliger angelsächsischer juristischer Sammlungen erforderte. Zudem hatte der starke Rückgang der Studentenzahlen in den Kriegsjahren zu einem großen Verlust von finanziellen Ressourcen für die Universität geführt. Was die Universitätsbibliothek betrifft, so ist sie auf ministerielle Subventionen angewiesen, die sich in dieser unmittelbaren Nachkriegszeit, in der so viele andere Notfälle herrschen, als selten und dürftig erweisen.

Dass die Anschaffung der ersten Sammlungen des amerikanischen Rechts in relativ kurzer Zeit möglich ist, ist dem Vermächtnis von 3.000 Francs zu verdanken, das ihm einer der ehemaligen Studierenden der juristischen Fakultät gewährt. Der Notar Félix Bala, der 1914 von allen Wehrpflichten befreit wird, hatte sich im Alter von 49 Jahren dennoch entschieden sich freiwillig in die Armee zu verpflichten. Als Leutnant des 26. Infanterie-Regiments stirbt er am 18. Juli 1918 an den Folgen seiner Verletzungen, nicht ohne zuvor den Schmerz gehabt zu haben, einen Sohn zu verlieren, der an der Rechtsfakultät von Lyon studiert hatte. Als Angehöriger der berühmten Dynastie der Mangini, einer Unternehmer- und Philanthropenfamilie, war Félix Balaÿ Mitglied der Gesellschaft der Freunde der Universität Lyon. Daher konnte er die Bedeutung, die Vermächtnisse und Schenkungen für die Dynamik der akademischen Einrichtungen hatten, nicht ignorieren, und er erinnert sich daran, als er sein Testament an die Front verfasst. Der finanziellen Not, in der sich die Fakultät damals befindet, vermischt sich mit der Sorge um ein starkes Symbol : Diese Spende, die von einem „ Rechtssoldaten “, einem Opfer des Krieges, geleistet wurde, wird in den Dienst eines Projekts gestellt, das auf seine Weise auf den Aufbau des internationalen Friedens durch das Recht hinarbeiten will. Dieser erste Fonds, der durch das Vermächtnis Balaÿ gegründet wird, wird später durch öffentliche Gelder und andere Zuwendungen ergänzt. Einige Mittel stammen wiederum von den Mitgliedern der Gesellschaft der Freunde der Universität ; andere können in Naturalien gemacht werden, wie etwa diese Bücherschenkung einer großen englischen juristischen Enzyklopädie, die Professor Gutteridge anlässlich der Verleihung seiner Ehrendoktorwürde im Jahr 1926 durchführt.

Mit der Gründung ihres Pionierinstituts für Rechtsvergleich profiliert sich die juristische Fakultät Lyon als Trägerin des Ideals des Rechtsfriedens. Ihr Bestreben, die Arbeit des Völkerbundes zu unterstützen, zeigt sich schnell in der Schaffung der Sammlung für Internationale Arbeitsrechtswissenschaft (Sammlung für Internationale Arbeitsrechtswissenschaft), unter Schirmherrschaft der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), zu die mehrere Lyoner Professoren (Édouard Lambert, Paul Pic, François Perroux) beitragen. Der Bürgermeister von Lyon, Édouard Herriot, dem Édouard Lambert so viel zu verdanken hat, stärkt in den dreißiger Jahren diese nunmehr gut ausgeschilderte Berufung zur Förderung des Friedens durch das Recht, indem er die Schaffung eines originellen Universitätslehrstuhls vorschlägt und erhält : den Lehrstuhl für Studien der internationalen Institutionen der Friedensorganisation.

Die Schaffung des Lehrstuhls für Frieden

Frieden durch Recht… Die Idee ist 1919 nichts Neues. Sie wurde bereits während des gesamten 19. Jahrhunderts diskutiert und unter anderem von einer gleichnamigen Vereinigung getragen, die 1887 in Nîmes gegründet wurde und deren letzter Vorkriegskongress übrigens im Juni 1914 in Lyon stattgefunden hatte. Obwohl die Hoffnung auf Frieden durch das Recht mit dem Krieg stark ins Wanken geraten ist, indem die Missachtung des Rechts durch die kriegführenden Staaten die extreme Zerbrechlichkeit juristischer Konstrukte gezeigt hatte, ist diese Idee paradoxerweise durch den Ersten Weltkrieg gestärkt worden. Die Idee, dass wenn die Waffen endlich zum Schweigen gebracht werden, eine Vereinigung zivilisierter Staaten zur Verteidigung des Rechts gebildet werden könnte, hatte sich in den verschiedenen Ländern der Entente verbreitet und war im Gefolge der Entente das Projekt einer internationalen Organisation zur Wahrung des Weltfriedens entstanden.

Dieser letzte Entwurf wurde kraftvoll von den berühmten Vierzehn Punkten des US-Präsidenten Woodrow Wilson (Rede vom 8. Januar 1918) unterstützt, der ihn in den Mittelpunkt der Verhandlungen auf der Friedenskonferenz stellte. Letztere führte schließlich zum Völkerbund, dessen am 28. April 1919 angenommener Pakt in den Versailler Vertrag aufgenommen wurde.

Der so geschaffene Völkerbund erfüllte die französischen Erwartungen in Bezug auf seinen Geist und seine Ziele gut. Er folgte dem Wunsch, sich aus dem alten System des Kräftegleichgewichts zwischen den Staaten zu befreien, und versuchte, den ewigen Frieden für die Zukunft zu sichern, indem er sich auf eine neue Idee der kollektiven Sicherheit stützte, die in Artikel 10 des Pakts verankert ist und wonach die Sicherheit jedes Mitgliedstaats zur Angelegenheit aller anderen wird. Allerdings werfen die französischen Militanten dieser jungen internationalen Organisation die Schwäche ihrer Aktionsmittel vor, von denen sie verstanden hatten, dass sie die Institution lähmen könnten. Zwar wollen ihre Entwickler die internationale Schiedsgerichtsbarkeit und die Suche nach Schlichtungsmöglichkeiten zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten zwischen Staaten fördern, aber sie hatten sie nicht systematisch zur Pflicht gemacht. Darüber hinaus wird die französische Forderung nach der Schaffung einer internationalen Streitmacht, die einem plötzlich angegriffenen Staat helfen könnte, von den angelsächsischen Verhandlungsführern abgelehnt.

So groß die Enttäuschung der französischen Befürworter des Völkerbundes im Jahre 1919 auch war, verloren sie nicht die Hoffnung auf eine Möglichkeit, diese neue internationale Organisation zu verbessern, die sie als einen guten, dennoch sehr verbesserungsbedürftigen Ausgangspunkt hielten. Um den „ Geist von Genf “ zu fördern und die französische Öffentlichkeit für die Notwendigkeit zu sensibilisieren, die Handlungsmöglichkeiten der jungen internationalen Organisation zu stärken, unternehmen die zahlreichen Vereinigungen, die sie unterstützten, Vortragsreisen durch das ganze Land. Eine Vortragsreise wird etwa 1929 organisiert, um die französische Regierung zu drängen, den von der Generalversammlung des Völkerbundes im September 1928 vorgeschlagenen allgemeinen Akt der obligatorischen Schiedsgerichtsbarkeit zu unterzeichnen. Am 10. Februar 1929 hielt Édouard Herriot, seit 1918 Mitglied des Rates der französischen Vereinigung für den Völkerbund, die Eröffnungskonferenz dieser Aktionskampagne.

Ein anderer, etwas besonderer Fall ist die originelle Idee des Abgeordneten und Bürgermeisters von Lyon im folgenden Jahr. Mit Mitteln der Universität schlägt er vor, Vorlesungen und Vorträge über das Thema der internationalen Friedensorganisationen zu organisieren, die für alle zugänglich sein sollen, die sich in den Begriffen der europäischen und internationalen Solidarität ausbilden wollen. „ Wir haben eine Schule des Krieges, warum sollten wir nicht eine Schule des Friedens haben ? “ erklärt der Bürgermeister von Lyon in einer Sitzung des Stadtrats am 4. August 1930. Édouard Herriot erhält problemlos die Zustimmung der Gemeindeversammlung für dieses Vorhaben, und einige Wochen später wird ihm die finanzielle Unterstützung des Generalrats der Rhône gewährt. Es ist wahr, dass das Projekt für die Stadt Lyon, die so nah an Genf liegt, eine Gelegenheit darstellt, ein angesehenes Universitätszentrum zu werden, das den Produktionen des Völkerbundes und seiner Nebeninstitutionen gewidmet ist und sich im weiteren Sinne auf die Analyse internationaler Fakten spezialisiert hat.

Das Projekt konkretisiert sich daher im folgenden Jahr in Form eines Lehrstuhls für das Studium der internationalen Institutionen der Friedensorganisation, den die Lyoner sehr bald einfach als Lehrstuhl des Friedens nennen. Konzipiert als vorläufige Lehrstelle, für einen jungen Professor, der noch keinen dauerhaften Lehrstuhl bekommen hat, wird sie mit Geldern der Gemeinde und für eine Laufzeit von zwanzig Jahren gewährt. Sein erster und einziger Inhaber sollte ein junger Professor mit Spezialisierung in Rechtsgeschichte Jacques Lambert, werden. Er ist der Sohn des vergleichenden Rechtsprofessors, und erhält 1926 die Agrégation (Lehrbefähigung). Der Lehrstuhl wird am 14. November 1931 eingeweiht, doch bald wird die Hoffnung, die mit seiner Schaffung assoziiert wird, von den internationalen Ereignissen der folgenden Jahre und der angeborenen Schwäche des Völkerbundes zerstört. Ab 1939 ist sein Inhaber auf einer Mission in Brasilien blockiert und wird tatsächlich während der Besatzungszeit geschlossen.

Die Tragödie dieser Wiederholung des Weltkrieges und die Nichtigkeit der vor seinem Ausbruch unternommenen Anstrengungen schaffen es jedoch nicht, den tiefen Glauben von Édouard Lambert an die Tugenden des vergleichenden Rechts, wie er es konzipiert und praktiziert hatte, zu untergraben. Der ältere Professor, dessen körperliche Fähigkeiten nach einem Herzanfall stark geschwächt sind, bleibt weiterhin bereit, seinen Pilgerstab wieder aufzunehmen und die Sorgen derer zu bekämpfen, die von Zweifeln ergriffen sind, wie Harald Mankiewicz. Dem ehemaligen Sekretär seines Instituts für Rechtsvergleichung, der aufgrund seiner deutschen Herkunft und seines Antinazismus, nach China und dann nach Kanada fliehen musste, ließ er im Oktober 1945 von Raměn Xirau, dem neuen Sekretär des Instituts, den er durch den spanischen Krieg kennengelernt hatte, folgendes schreiben  :

„Zweifellos kann die Entwicklung der humanistischen Auffassung der Rechtswissenschaft komplizierter erscheinen. Aber das ist in Einklang mit den Eigenschaften der französischen Auffassung des vergleichenden Rechts […] Nichts wird in einem Tag vollzogen, und es gehört zu den Traditionen des Instituts für Rechtsvergleich, an die Verwirklichung des Rechtshumanismus zu glauben, trotz aller augenblicklichen Praktiken, auf die er stößt. Es ist wichtig, diesen Glauben wiederzugewinnen…“

Catherine Fillon, Professorin für Rechtsgeschichte (Universität Lyon III)


Literaturangaben

Deroussin David (dir.), Le renouvellement des sciences sociales et juridiques sous la iiie République – La Faculté de droit de Lyon, Paris, Éditions La Mémoire du Droit, 2007.

Fillon Catherine, « La Faculté de droit de Lyon et ses étudiants égyptiens : une délicate expérience pédagogique, entre opportunité politique et opportunisme universitaire », Traverse. Zeitschrift für Rechtsgeschichte – Revue d’Histoire, no 1, 2018, p.72-84.

Fulchiron Hughes (dir.), La Faculté de droit de Lyon, 130 ans d’histoire, Lyon, Éditions Lyonnaises d’Art et d’Histoire, 2006.

Guieu Jean-Michel, Le rameau et le glaive : les militants français pour la Société des Nations, Paris, France, Presses de Sciences Po, 2008.

Lambert Edouard, « L’enseignement du droit comparé, sa contribution au rapprochement entre la jurisprudence française et la jurisprudence anglo-américaine », Annales de l’Université de Lyon, Nouvelle série, II Droit-Lettres, 1919, p.1-118.