Die Universitätsbibliothek von Lille im Ersten Weltkrieg


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Historie und Funktionsweise

Vor 1887 sind die Fakultäten für Recht und Literaturwissenschaften sowie ihre Bibliotheken in Douai beheimatet, unweit von Lille. 1887 schließen sich die beiden Fakultäten den Fakultäten für Naturwissenschaften und Medizin in Lille an, wobei die Bibliotheken schon in Verbindung miteinander stehen. Die vier Fakultäten wurden 1896 in der Universität Lille vereint. 1914 wurde die Universitätsbibliothek in einem neuen Gebäude untergebracht, das 1907 eingeweiht wurde.

Dieses Gebäude wurde speziell als Bibliothek konzipiert und entspricht den professionellen Standards der Zeit. In den Jahren 1903‑1904 hatte der Direktor der Bibliothek, Paul Vanrycke, eine Studienreise nach Deutschland (einschließlich Straßburg), Belgien und den Niederlanden gemacht, um sein Projekt zu planen. Das Gebäude ist 1.570 m² groß. Der Lesesaal wird von einem Glasdach beleuchtet und verfügt über 125 Plätze. Hinzu kommen ein Professorenraum, in dem die neuesten Ausgaben der Zeitschriften zur Verfügung stehen, sowie ein Raum für den Katalog auf Karteikarten. Die zehn Läden sind für 500.000 Bände ausgelegt. Das Gebäude verfügt über eine Heizung und ist mit Strom beleuchtet. Es ist auch mit Feuerlöschgeräten und Feuerlöschern ausgestattet. Die Bibliothek ist von Montag bis Samstag jeweils von 10 bis 12 Uhr und von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Sie ist während der Universitätsferien geschlossen.

1909 umfasst die Sammlung 240.000 Bände (der Neubau ließ viel Spielraum zur Ergänzung der Bestände). Die Bibliothek erhält 1.800 Zeitschriftentitel, viele davon im internationalen Austausch. In der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg wachsen die Sammlungen der Universitätsbibliothek erheblich. Dabei spielen Schenkungen und Vermächtnisse eine wichtige Rolle. Im Jahr 1910 vertraut der Staat der Universität fast 14.000 Bücher aus Seminarbeständen an. Durch die Schenkung Laurenge‑Angellier im Jahr 1911 erweitert sich die Sammlung der Bibliothek um die 20.000 Bände der persönlichen Bibliothek von Auguste Angellier, Dekan der Fakultät für Literatur und Professor für englische Literatur. Vanrycke weist in seinen Berichten darauf hin, dass die Bücher mit „ganzen Karren“ in die Bibliothek eingeliefert werden.

Einige Zahlen geben eine Vorstellung des Alltags an der Bibliothek : im ersten Quartal 1912 geben die Bibliothekare 69.266 Bücher aus, davon etwa 12  % an Professoren und der Rest an Studenten. 5.028 Bücher werden ausgeliehen, davon etwa 23  % von Professoren ; 114 Professoren und 789 Studenten besuchen die Bibliothek in diesem Quartal mindestens einmal, und die überwiegende Mehrheit von ihnen leiht mindestens ein Buch aus. Die Bibliothek empfängt jeden Morgen durchschnittlich 119 und jeden Nachmittag durchschnittlich 170 Leser ; 625 Bücher wurden gekauft, 2.120 gespendet und 5.917 Einträge zum Katalog hinzugefügt (jedes katalogisierte Buch führt zur Erstellung mehrerer Blätter : Autorendatei, Disziplindatei…). Ab Anfang des 20. Jahrhunderts zählt das Personal der Universitätsbibliothek von Lille sieben Personen : den Bibliothekar, zwei Hilfsbibliothekare und vier Kammerjungen. In seinen Berichten beklagt sich der Bibliothekar regelmäßig über den Personalmangel. Er weist auf die Zunahme der Besucherzahlen, auf die Arbeit im Zusammenhang mit dem Umzug in das neue Gebäude und auf die Notwendigkeit hin, Werke aus wichtigen Spenden, die zu dieser Zeit eintreffen, zu katalogisieren.

Der Bibliothekar, der 1910 den Titel des Chefbibliothekars annimmt, leitet die Bibliothek und organisiert die Anschaffungen. Die Hilfsbibliothekare, die 1910 den Titel Bibliothekare erhalten, unterstützen den Verantwortlichen, kümmern sich um die Weitergabe von Büchern an die Leser und beteiligen sich an der Katalogisierung. Die Bibliothekare (ehem. Hilfsbibliothekare) haben ähnliche Qualifikationen wie der Chefbibliothekar (ehem. Bibliothekar), und es handelt sich um zwei Grade desselben Zweigs. Sie haben mindestens den baccalauréat-Abschluss (wie Abitur) und oft auch eine licence (wie Bachelor). Die Zimmerjungen kümmern sich um den Unterhalt der Räumlichkeiten und haben in der Regel nur die Grundschule besucht.

Die Lage im Jahr 1914

1914 beläuft sich das Budget der Bibliothek auf 39.510 Francs. Die Dokumentationsausgaben belaufen sich auf 25.496 Francs, was fast zwei Dritteln des Budgets entsprach, die auf etwa ein Drittel der Bücher und zwei Drittel der Zeitschriften verteilt waren. Der Rest wird für die Betriebsausgaben aufgewendet : Buchbinderei (5.500 Francs), Heizung (2.900 Francs), Beleuchtung (900 Francs), Möbel und Versicherung (1.150 Francs), Bürobedarf (900 Francs), unvorhergesehene Ausgaben (350 Francs) und Finanzreserve (2.313 Francs — ein obligatorischer Posten, der einem bestimmten Prozentsatz des Erwerbssbudgets entspricht). Dieses Betriebsbudget wird zu etwas mehr als einem Drittel durch die von den Studierenden gezahlten Bibliotheksgebühren und zu zwei Dritteln durch eine Ministersubvention aufgestockt. Das Personal wird direkt aus dem Budget des Ministeriums bezahlt. 1914 belief sich der Gesamtlohn auf 15.500 Francs.

Das Team der Bibliothek besteht immer noch aus sieben Personen : dem Chefbibliothekar Paul Vanrycke ; zwei Bibliothekaren, Eugène Macaigne und Jean Riquier (letzterer wurde im Dezember 1914 durch René Lobstein ersetzt) ; vier Kammerjungen, Charles, Paul, Augustin Serré und André Amédro.

Die Bibliothekare der Universität Lille besitzen alle das Zeugnis über die Eignung für die Funktionen eines Universitätsbibliothekars und haben einen Universitätsabschluss (meistens eine licence, manchmal einen Doktortitel). Die Beherrschung alter oder lebender Sprachen ist eine wichtige Kompetenz. Die vier Bibliothekare, die 1914 an der Universität Lille gearbeitet haben, sprechen alle Deutsch und drei von ihnen haben sich während ihres Studiums mindestens ein Jahr in Deutschland aufgehalten. Dies spiegelt die Faszination wider, die Deutschland, trotz erheblicher Rivalität, auf die akademische Welt ausübt. Eugène Macaigne, Bibliothekar an der Universität Lille von 1907 bis 1922 und Chefbibliothekar derselben Bibliothek von 1926 bis 1937, hat einen deutschen Hochschulabschluss und studierte 1894‑95 in Leipzig. Jean Riquier, Bibliothekar in Lille von 1911 bis September 1914 und von 1925 bis 1934, absolvierte ebenfalls eine licence in Germanistik und hielt sich von 1900 bis 1904 in Deutschland auf, wo er als Buchhändler in Marburg in Hessen arbeitete. René Lobstein, der im September 1914 zum Bibliothekar in Lille ernannt wird, ist Doktor der Rechtswissenschaften und Spezialist für deutsches Recht. Vanrycke, der seine gesamte Karriere vom Praktikum bis zu seinem Tod in Lille verbringt, stellt eine Ausnahme dar. Dagegen zeigen die Laufbahnen der übrigen Bibliothekare, dass der Beruf bereits zu dieser Zeit auf nationaler Ebene organisiert ist : Lobstein arbeitete während seiner Karriere auch in Lyon und Paris, Macaigne in Paris und Poitiers, Riquier in Paris und Lyon. Die Universität Paris scheint eine zentrale Rolle bei der Ausbildung von Bibliothekaren zu spielen und viele Praktikanten aufzunehmen.

Die Bibliotheksjungen deren Werdegang bekannt ist haben ihre gesamte Karriere in der Universitätsbibliothek von Lille verbracht.

Bibliotheksdirektor ist Paul Vanrycke, der von 1901 bis zu seinem Tod 1923 im Amt war. Er wurde in Dünkirchen geboren und studierte Medizin in Lille, ohne bis zum Doktorat zu gehen. Er ist Abiturient und Inhaber der CAFBU. Er beherrscht die Sprachen Latein, Griechisch, Deutsch, Englisch und Italienisch. Er trat 1896 als Praktikant in die Universitätsbibliothek von Lille ein, wurde 1900 Unterbibliothekar und 1901 Bibliothekar. Er kombinierte die Leitung der Universitätsbibliothek mit der der Stadtbibliothek von 1916 bis 1922. 1920 wurde er mit der Ehrenlegion ausgezeichnet und 1922 wurde er Präsident des Vereins der Universitätsbibliothekare. Er ist auch stark in seine Aufgaben investiert, denn die Berichte des Rektors beschreiben, „dass er für seine Bibliothek lebt.“ Sein einziger Antrag auf Versetzung erfolgt nach dem Krieg : Er möchte Direktor der Universitätsbibliothek von Straßburg (heute BNU) werden, die gerade annektiert wurde, um „dieses wunderbare, aber allzu germanisierte Werkzeug auf französische Art zu verwandeln“, eine Bemerkung, die die Ambivalenz seiner Gefühle gegenüber den deutschen Universitäten zum Ausdruck bringt. Er bewundert diese Bibliothek, die er während seiner Studienreise zur Vorbereitung der Bibliothek von Lille besuchte. Seine Kandidatur wird jedoch nicht angenommen, und er drückt diesbezüglich eine starke Bitterkeit aus, die verstärkt wird durch die Schwierigkeiten des täglichen Lebens in einer Stadt, die gerade erst aus der Besatzung herauskommt. Im Januar 1919 schreibt er an das Ministerium : „Ich möchte Ihnen nicht erneut das hiesige Elend beschreiben, allerdings reichen die Koksvorräte der Bibliothek nur noch für drei Tage, und zu Hause habe ich nicht mehr Kohle als die meisten unserer Mitbürger. Außerdem schneit es und es ist extrem kalt.“ Das raue Klima ist ein immer wiederkehrender Grund für Mutationsgesuche.

Während des Krieges

Die Bibliothek schließt sofort nach der Mobilisierung (Es verbleiben nur noch den Chefbibliothekar Paul Vanrycke und den Bibliotheksjunge Charles Serré) und öffnet nicht wieder, „um jede deutsche Besetzung, auch intellektueller Art, zu vermeiden“. Dieser Ausdruck verweist auf die patriotische Sorge, die auch im Bestreben vorhanden ist, die Universität in Betrieb zu halten, um ein französisches intellektuelles Leben in der besetzten Metropole aufrechtzuerhalten. Zusätzlich zur Abwesenheit des größten Teils des Personals und zu den Requisitionsdrohungen ist der Betrieb der Bibliothek durch die Unterbrechung der Kommunikation mit dem Rest des Landes stark gestört. Die Bibliothek ist von Paris und von der Zentralverwaltung abgeschnitten. Die Löhne werden aus dem Betriebskapital der Universität entnommen, und da eine Aufstockung des Budgets durch den Staat nicht möglich ist, werden die dokumentarischen Anschaffungen für die Dauer des Krieges eingestellt. Auch Zeitschriften können nicht mehr in die Bibliothek gebracht werden. Spenden und Austausch werden gestoppt. Ein Teil der internen Arbeit wird jedoch fortgesetzt : die Erstellung des Gesamtkatalogs geht weiter (es werden mehr als 100.000 Karteieinträgen während des Krieges erstellt), und der Katalog der französischen Doktorarbeiten seit dem Jahr 1800 wird ebenfalls abgeschlossen.

Die Professoren der Universität haben weiterhin Zugang zur Bibliothek und die Studenten können noch Bücher ausleihen, wobei das Sekretariat der Rechts- und Literaturfakultäten als Schalter fungiert ; 1.307 Bücher werden im Jahr 1914‑15 und 3.692 im Jahr 1915-16 ausgeliehen. Die Keller der Bibliothek werden für den Fall einer Bombardierung verstärkt. Die Magazine dienen als Schutzlager für wertvolle Privatsammlungen oder Bestände von Instituten wie dem Papyrologie-Institut, die seit Kriegsbeginn dort versteckt sind. Zahlreiche Institutionen und Privatpersonen werden dort Sammlungen unterbringen : Bücher von Professoren, die aus ihren Häusern vertrieben werden, Bücher und Zeitschriften von Fakultäten oder Instituten, die ebenfalls aus ihren Räumlichkeiten vertrieben werden… Die Universitätsbibliothek erreichte während der Besetzung ein Maximum von 900.000 gelagerten Bänden, darunter diejenigen, die mit der Rettung der Stadtbibliothek hinzugekommen sind.

Tatsächlich ist das Hauptereignis, dass die Bibliothek während der Besetzung erlebt, der Brand des Rathauses vom 24. bis 25. April 1916. Das Gebäude beherbergte auch die Stadtbibliothek, deren Bibliothekar Frankreich zu Beginn des Krieges verlassen hatte. Vanrycke, der erst einen Monat vor dem Brand für das Archiv und die Stadtbibliothek zum Verantwortlichen ernannt wird, organisiert die Rettung der Sammlungen. Während der Katastrophe werden 4.000 bis 5.000 Bände evakuiert. Der Katalog auf Karteikarten und die Zeitschriften hingegen werden im Brand zerstört. Zum Glück sind die Inkunabeln und die Manuskripte in einem Flügel des Gebäudes aufbewahrt, das vom Brand verschont bleibt. Die geretteten Sammlungen werden in die Universitätsbibliothek verlegt, darunter 50.000 trockene und 30.000 nasse Werke, die zum Trocknen im Lesesaal geöffnet gelagert werden müssen, belüftet durch zu diesem Anlass angeschafften Ventilatoren, um die Entwicklung von Schimmel zu vermeiden. Jedes Werk muss anschließend gebürstet werden, bevor es im Laden gelagert wird. Insgesamt werden von den insgesamt 185.000 Werken der Stadtbibliothek 110.000 bis 125.000 gerettet, darunter alle Inkunabeln und Manuskripte. Das Personal der Stadtbibliothek ist in der Universitätsbibliothek untergebracht. Vanrycke bleibt bis 1922 zusätzlich zur Universitätsbibliothek auch für die Stadtbibliothek verantwortlich. Die Sammlungen verlassen das Gebäude erst 1965 mit dem Bau der Mediathek Jean Lévy wieder.

Die Universitätsbibliothek ist nicht nur Zufluchtsort für Bücher, sondern auch für Professoren. Diese treffen sich dort abends, um die Presse zu lesen. Der Bibliothekar sammelt die Tageszeitungen, die er am Tag in Lille erhalten konnte und übersetzt Artikeln für diejenigen, die kein Deutsch verstehen : „Viele Professoren trafen sich dort, um entweder die Zeitungen zu lesen oder die Übersetzung des Bibliothekars zu hören : für alle war das eine Gelegenheit, sich gegenseitig zu trösten, indem sie ihre Ideen, Prognosen und vor allem ihre Hoffnungen austauschten.“ (Annalen der Universität Lille, 1914‑1919, Bericht 1917‑1918)

Der Wiederaufbau

Die Universitätsbibliothek bleibt über die ganze Dauer des Konflikts verschont : sie wurde weder von Bomben noch von Beschlagnahme betroffen. Als die Deutschen am 17. Oktober Lille verlassen, steht das Gebäude bereit, um wieder für das Publikum zu öffnen. Es dauert jedoch einige Zeit, bis die Bibliothek wirklich zum Normalbetrieb zurückkehrt.

Es muss zuerst das Personal zurückgeholt werden, das mobilisiert war oder zu Beginn der Besetzung von Lille abwesend war. Paul Vanrycke ist weiterhin da, aber da Charles Serré bis Ende 1918 erkrankt ist, beruht der Betrieb der Bibliothek fast ausschließlich auf dem Personal der Stadtbibliothek. Louis Macaigne erhält im Dezember 1918 eine Verordnung, um seinen Posten wieder zu besetzen. Augustin und Paul Serré werden erst im Frühjahr 1919 demobilisiert. André Amédro stirbt im Februar 1919, ohne ins Amt zurückgekehrt zu sein ; er wird im Jahr 1920 durch Paul Paris ersetzt. René Lobstein, der im Dezember 1914 ernannt worden war und seinen Posten nie besetzen konnte, weigert sich, sich in Lille niederzulassen. Er will in Paris bleiben und die juristische agrégation vorbereiten. Er wurde im Mai 1919 in den sogenannten Inaktivitätsurlaub versetzt und musste in Lille ersetzt werden. Nach mehreren Versuchen erhielt er 1923 eine Stelle als Bibliothekar an der Universität Paris. Sein Posten in Lille bleibt bis 1920 und die Ernennung von Raymond Beaupin unbesetzt. Allerdings, verlässt Beaupin 1921 seinerseits Lille für Bordeaux und beruft sich ebenfalls auf die Strenge des Klimas und seine Auswirkungen auf seine Gesundheit als Argument für eine Versetzung.

Ein weiteres Hindernis für die Rückkehr zur Normalität ist die langsame Wiederherstellung des Kontaktes mit der Zentralregierung, die die Budget-Entscheidungen letztendlich trifft. 1918 wird ein Entwurf für ein Dokumentationsbudget in Höhe von etwa 19.000 Francs vorgeschlagen, gegen mehr als 25.000 Francs vor dem Krieg. Für Zeitschriftenabonnements wird die gleiche Summe wie vor dem Krieg beantragt, aber das Budget für den Kauf von Büchern beträgt nur noch 500 Francs gegen knapp als 7.000 Francs im Jahr 1914. Dieser Budget-Antrag wird schließlich erst im August 1919 bewilligt, und selbst dann wird die Bibliothek nur ein Viertel der ausgemachten Summe erhalten. Es dauert bis 1920, bis das Budget mit ca. 22.000 tatsächlich ausgezahlten Francs wieder ein mit 1914 vergleichbares Niveau erreicht. Es gibt also eine Erholung, aber sie ist langsam, zumal der Rückgang der Studentenzahlen in den Nachkriegsjahren die Einnahmen aus den Bibliotheksgebühren proportional reduziert. Die Situation wird dadurch verschärft, dass es eine Periode hoher Inflation ist, was die Betriebs- und Anschaffungskosten belastet.

Was den Aufbau und die Rekonstruktion der Sammlungen betrifft, so stößt auch die Rückkehr zur Normalität auf Hindernisse. In den letzten vier Jahren wurde kein einziges Buch erworben, und Haushaltsfragen wirken sich natürlich auch in dieser Hinsicht aus. Aber es liegt ein größte Problem vor : Lille wird am 17.  Oktober 1918 befreit, aber die Kommunikation mit der unbesetzten Zone bleibt bis Anfang 1919 extrem eingeschränkt. Die Beschaffungs- und Empfangswege für Zeitschriften, insbesondere aus dem Ausland, sind kompliziert. Ausländische Zeitschriften können erst ab März 1919 wieder bezogen werden. Ungefähr zur gleichen Zeit erhält die Bibliothek die ersten Zeitschriften, die für sie vom Ministerium Jahre zuvor bezogen worden waren. Während des gesamten Krieges musste die Bestellung in Paris warten. Darüber hinaus kam ein sehr großer Teil der Zeitschriften bis 1914 aus Tausch oder Spenden. Die Arbeit an der Wiederbelebung dieser Beziehungen wird unternommen, aber Vanrycke schätzt, dass dafür mehr als 2.000 Briefe gesendet werden müssen, während das Team unterbesetzt ist. Beaupin, der 1920 den Zeitschriftendienst wieder aufnimmt, bemerkte in einem Brief, dass dieser seit Beginn des Krieges aufgegeben wurde und dass es einen erheblichen Rückstand bei der Bearbeitung der Bestände gibt. 1921 werden die Sammlungen durch das Vermächtnis von Agache Desmedt um 1.800 Bänden bereichert – eine Erinnerung an die umfangreichen Spenden des Vorkriegsjahren. Diese bibliophile Sammlung bildet den Kern des mittelalterlichen Manuskriptbestands der Universität.

Die Besetzung hinterlässt also dauerhafte Spuren im Betrieb der Universitätsbibliothek von Lille. Als Beaupin nach Vanryckes Tod von 1923 bis 1926 nach Lille zurückkehr, teilte er dem Ministerium mit, dass es aufgrund der Auswirkungen des Krieges und des Personalmangels immer noch Rückstände gibt. Die Universitätsbibliothek beherbergt immer noch zusätzlich die Sammlungen der Stadtbibliothek. Aufgrund dieser Probleme in der Verwaltung der Bibliothek, die sich aus den letzten Jahren der Verwaltung von Vanrycke ergeben, wird beschlossen, Louis Macaigne, der inzwischen Direktor der Universitätsbibliothek von Poitiers geworden ist, als neuer Direktor der Bibliothek genannt. Als ehemaliger Kollaborator von Vanrycke kann er sich auf diese Erfahrung stützen, um die Institution in eine neue Richtung zu lenken.

Geoffrey Haraux, Referent für digitale Bibliotheken und CollEx, Gemeinsamer Dokumentationsdienst der Universität Lille


Literaturangaben

Westeel Isabelle, « La bibliothèque universitaire de Lille en 1909 », Insula, 2013, (en ligne le 03/11/2021).

—, « Les bibliothécaires de l’université de Lille entre 1883 et 1923 » , Insula, 2013, (en ligne le 03/11/2021).

—, « Il est difficile de compter les livres dans une bibliothèque », Insula, 2013, (en ligne le 03/11/2021).

—, « Le catalogage à la Bibliothèque universitaire de Lille », Insula, 2013, (en ligne le 03/11/2021).

—, « La bibliothèque universitaire de Lille pendant la Grande Guerre », Insula, 2013, (en ligne le 03/11/2021).

—, « Réflexions sur le métier de bibliothécaire au début du 20e siècle », Insula, 2013, (en ligne le 03/11/2021).

—, «  La bibliothèque universitaire de Lille pendant la Grande Guerre  », dans Jean-François Condette (dir.), La guerre des cartables (1914-1918) : Élèves, étudiants et enseignants dans la Grande Guerre en Nord-Pas-de-Calais, «  Histoire et civilisations  », Villeneuve d’Ascq, Presses universitaires du Septentrion, 2018, p. 103‑116.